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Gesellschaftliche Relevanz der Geisteswissenschaften        in säkularen Zeiten

von     Michael P. Schmude, VPUniversity Vallendar

[Festakt zum Abschluss des Sommersemesters 25.07.2025]

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Studierende, werte Angehörige und Gäste –

 

Anlass und Ausgangspunkt meiner folgenden Ausführungen, die in keiner Weise ein abgeschlossenes System darstellen, sondern einen fließenden Quell von Gedanken und Überlegungen eröffnen sollen, war eine Tagung im Rahmen der Theologischen Fakultät vor wenigen Wochen, als einmal mehr die unabdingbare und stets zu aktualisierende Frage nach Ausrichtung und Entwicklung philosophisch-theologischer Lehre gestellt wurde – Stichwort hier: Erweiterung des Spektrums der angebotenen Studieninhalte. Mit ihr verknüpft bleibt in einem weiteren Sinne diejenige nach gesellschaftlicher Relevanz, also Anbindung und Bedeutsamkeit der Geisteswissenschaften überhaupt, in deren Zentrum (neben den historischen und sprachlichen) unsere Fächer Theologie und Philosophie sich mit Fug und Recht verorten dürfen.

Platon, der griechische Philosoph zur Goldenen Zeit der Attischen Polis-Demokratie und (im 4. Jh. v. Chr.) Begründer der Akademie in Athen – und damit sind wir bereits mittendrin und bei einem der zentralen Köpfe geisteswissenschaftlicher Bemühungen

[er wird von vielen Philosophen als der geistige Urvater des Abendlandes betrachtet;   Folie 2   bekannt das Wort des britischen Ontologen und Mathematikers Alfred Whitehead aus seinem Hauptwerk Process and Reality (1929): Die sicherste allgemeine Charakterisierung der philosophischen Tradition Europas lautet, dass sie aus einer Reihe von Fußnoten zu Platon besteht] – ,

[besagter Platon also] machte die Frage nach dem Wesen des – insbesondere gerechten – Menschen zum tatsächlichen Anliegen seines Hautwerkes, der Politeía, welche der römische Staatsmann, Redner und Philosoph Marcus Tullius Cicero knapp dreihundert Jahre später passagenweise ins Lateinische übersetzte. Platon lässt seinen Lehrer Sokrates dafür allerdings den Blick sogleich vom Mikrokosmos Mensch auf den Makrokosmos menschliche Gesellschaft als dem größeren und anschaulicher zeigbaren Format überleiten; im Zusammenwirken ihrer unterschiedlichen Kräfte und Einzelelemente erweisen sich die Kardinaltugenden – Weisheit, Tüchtigkeit, besonnenes Maß und eben: die Gerechtigkeit als oberste und umfassende ethische Instanz. Diese Ausrichtung ist im Fortgang des Abendlandes, ‚des Westens‘, Europas zeitlos prägend geblieben, und im wertungsfreien Wettbewerb, in der gleichberechtigten (neudeutsch) Challenge der Kulturen ist jede einzelne wohlberaten, sich selbst, das jeweils Ihre bestimmen und beschreiben zu können, spätestens sobald sie in einen Austausch auf Augenhöhe mit ihren Nachbarinnen tritt – das ist die zentrale Aufgabe und (wieder neudeutsch) Kernkompetenz jeglichen geisteswissenschaftlichen Tuns.

Folie 3

I. Gesellschaft – wie können wir diese definieren?

Folie 4            Cicero, De re publica I 39-41: Est igitur res publica res populi, populus autem non omnis hominum coetus quoquo modo congregatus, sed coetus multitudinis iuris consensu et utilitatis communione sociatus. eius autem prima causa coëundi est non tam inbecillitas quam naturalis quaedam hominum quasi congregatio; non est enim singulare nec solivagum genus hoc, sed ita generatum, ut ne in omnium quidem rerum affluentia idque ipsa natura non invitaret solum sed etiam cogeret

Gesellschaft ist also nicht jeder irgendwie nach dem Zufallsprinzip zusammengewürfelte Haufen, sondern ein bewusster Zusammenschluss von Menschen, regelbasiert über ein von sämtlichen Mitgliedern angenommenes Rechtsverständnis und geeint im Nutzen, welcher sich für Alle aus diesem Gemeinwesen ergibt. Und der Grund dafür, ein solches zu bilden, liegt in einem natürlichen Bedürfnis des Menschen, welcher zum Einzelgänger nicht berufen, sondern – aristotelisch gesprochen – als Zóon politikón geboren ist.

Folie 5            hier nun fährt der Kirchenvater und Cicero Christianus Laktanz (Divinae institutiones VI 11, 18) fort: … causam fuisse coëundi […] humanitatem, itaque inter se congregatos, quod natura hominum solitudinis fugiens et communionis ac societatis adpetens esset.

Die Humanitas, sein Mensch-Sein, ist das bestimmende mo(vi)mentum, welches den Menschen geradezu zwingend antreibt, eine auf sich allein gestellte Existenz zu meiden und sich mit Seinesgleichen – unter den zuvor genannten Voraussetzungen eines moralischen Regelkanons sowie wechselseitigen Gedeihs – zu verbinden.

Und Gesellschaft kann niemals als abstrakter Begriff von denen, welche sie – gleichsam als Bauteile – ausmachen, getrennt betrachtet werden, den Menschen nämlich. So stellen Gesellschafts- oder Staatslehre und Anthropologie als Menschenbild, säkular wie kirchlich, zwei Seiten der gleichen Medaille dar. Auf diese beiden Seiten bzw. die Medaille als Ganzes zielen Geisteswissenschaften ab: der einzelne Mensch in seiner – von ihm gebildeten – Gesellschaft und diese sodann in ihrer – von einer höheren, göttlichen Wesenheit geschaffenen – Ordnung der (soweit) für sie und von ihr erfahrbaren Welt.

 

II. Das Menschenbild nimmt die Philosophie in einem ersten Schritt somit aus Platons Staatslehre, welcher (in seiner bereits genannten Politeía) einen vernunftgesteuerten Teil der individuellen Seele von einem triebgesteuerten Teil unterscheidet und einen – aus beiden heraus gespeist – gemüthaften dazwischensetzt. Die Theologie stellt im Herbst der Antike der irdischen Respublica Ciceros die von Gottes Plan gelenkte, mithin überlegene Civitas Dei des kanonischen Kirchenlehrers Augustinus von Hippo Regius (im heutigen Algerien) gegenüber. Und es ist diese gesellschaftstheoretische und zugleich anthropologische Debatte, welcher ein Studium der Geisteswissenschaften im Allgemeinen, der Theologie und Philosophie im Besonderen dient – gerade in säkularen, an Diesseitigem ausgerichteten Zeiten, in denen das Transzendente, die Welt hinter der oder über der sichtbaren Welt, allzu oft übersehen wird.

Der Zugang zu den unterschiedlichen Ansätzen von Mensch – Gesellschaft – Welt hinter ‚den Dingen‘, historisch wie systematisch, erfolgt über eine kritische Auseinandersetzung mit den und in den diese vermittelnden Erst-, vulgo Originalschriften – und das heißt auch: in deren Ausgangssprachen, welche zu keiner Zeit durch sekundäre Quellen wie Übertragung, Paraphrase oder gar nur Zusammenfassung ersetzt werden konnte(n). Gute Geisteswissenschaft hat diese zu leisten und stellt mit der Diskussion innerhalb – nicht (mehr oder weniger lose) darüber – den Bezug zur gegenwärtigen, uns Alle umgebenden Gesellschaft, zu ihren Gruppen und ihren Individuen her. Sensibilität für einen bewussten Umgang mit Sprache, Fähigkeit zur Analyse aussagekräftiger literarischer Werke, Verständnis für Verbindendes und Trennendes, für kulturbedingte Wertvorstellungen und Lebensziele wechselnder Zeiten werden anhand zentraler zivilisatorischer Texte und im Dialog zwischen theologischer und säkularer Tradition recht eigentlich erst zum Wirken und Leben gebracht.

Damit ist Geisteswissenschaft zugleich deren konstituierenden Elementen, den Menschen verpflichtet: Was kann ich wissen, was soll ich tun, was darf ich hoffen, was ist der Mensch? – die Kant´schen Grundfragen jeden ethischen Seins (aus seinen Vorlesungen zur Logik von 1800). Wer bin ich? oder Wie soll ich sein?, transzendiert um die theologische Frage Wo werde ich hin gehen? und aktualisiert oder verallgemeinert Welche Rolle möchte ich in meiner Gemeinschaft einnehmen und wie soll diese aussehen – wie geht es weiter, wenn ich nicht mehr bin?: eine Behandlung ebendieser existenziellen Fragen, die fraglos junge Menschen jedweder modernen Gesellschaft und quer durch alle Kulturen umtreiben, sollte ein Kernanliegen zeitgemäßer gesellschaftswissenschaftlicher Angebote abbilden und über rein säkulare, innerweltliche Antworten weit hinausgehen – in einem ethisch-theologisch-philosophischen, nicht zuletzt auch spirituellen Sinne. Auf unser Haus wiederum übertragen ist der Mensch als gemeinschaftsbildendes Wesen die Klammer und Brücke, welche die beiden Fakultäten der Vinzenz Pallotti University – Theologie und Humanwissenschaften – viceversa verbindet.

 

III. Geisteswissenschaften stellen den Menschen, das humanum in den Mittelpunkt ihrer Lehre, und nicht ohne Grund ist der – zunächst europäische, von jeher aber universal und stets interkulturell zu denkende – Humanismus der anbrechenden Neuzeit aus der Renaissance, der Wiedergeburt der griechisch-römischen Philosophie im Schoße der christlichen Theologie hervorgegangen. Die Wolfsnatur des Menschen, welche der englische Staatstheoretiker Thomas Hobbes im 17. Jh. so fürchtete, bedingt die Notwendigkeit eines Staatsvertrages mit gegenseitigen Regeln zum Umgang einer Jeden mit einem Jeden: Gerechtigkeit ist hier keine Naturanlage – sie zeigt sich beim Menschen erst in der Gesellschaft. Und damit ist die Geisteswissenschaft wiederum bei den anthropologischen Grundfragen Immanuel Kants (s.o.) angelangt: für eine heutige Gesellschaft – und ihre Studierenden – so zeitlos maßgebend und der Anfrage wert wie Dekalog und Bergpredigt.   Folie 6   Die beim Evangelisten Matthäus formulierte Goldene Regel hält im Kern bereits den Kategorischen Imperativ des Königsberger Philosophen bereit. In einer christlichen Ethik ist die Essenz, das wesenhafte Sein eines Menschen, in seiner Gottähnlichkeit angelegt und geht seiner weltlichen und damit gesellschaftlichen Existenz voraus. Der Existenzialismus (etwa seiner prominentesten Stimme Jean Paul Sartre 1946) sieht es genau umgekehrt: der Mensch existiert quā Geburt zuerst und ist danach das, wozu er sich macht – der Mensch zur Freiheit verurteilt (welche bekanntlich das Schwierigste überhaupt sein dürfte). Und dies einmal angenommen, wird die Frage nach der Eigenart des Menschen, nach der Beschaffenheit einer Gesellschaft, in welcher er sich aufgehoben fühlt, umso dringlicher. Ob in christlicher Nachfolge oder in selbstbestimmter Individualität – am ehesten wohl in einer angemessenen Verbindung beider Ansätze – die Geisteswissenschaften sind der intellektuelle Raum, innerhalb dessen solche Debatten theologisch wie säkular unter Lehrenden wie Lernenden stattfinden.

 

IV. Es sind dies aber auch außerhalb akademischer Welten sinnstiftende Fragen für Jedermann, nach welchen sich heutige Gesellschaft aufbaut, Fragen, über welche Jede/r für sich und Alle miteinander zu ihrem Gemeinwesen in Rückbezug – Relevanz oder Referenz – stehen. Menschwerdung und Gesellschaftswerdung gehen Hand in Hand; sich in ihrer historischen Entwicklung damit auseinanderzusetzen und den je eigenen Platz in ihrem System zu finden und weiter auszubauen – das ist ein Angebot der Geisteswissenschaften für Studierende aller Semester, jeden Alters und jeder Herkunft.

 

In summa      Folie 7                       diese

  1. zu einer aufmerksamen, zu einer achtsamen Beschäftigung mit ihrer Gesellschaft in deren geschichtlichem Werdegang wie systematischen Struktur anzuleiten,
  2. kulturelle Gemeinsamkeiten wie Unterschiede wahrzunehmen und wertzuschätzen
  3. und im Vergleich den eigenen Modus zur Mensch- wie zur Gesellschaftswerdung finden zu lassen,
  4. sie Schritt für Schritt auf ihrem Weg zu ihrem persönlichen Standort darin anzuregen

stellen seitens der Geisteswissenschaften Vorbereitung für und Beitrag zum Gelingen eines Gemeinwesens dar – und aus gesellschaftstheoretischen Ansätzen theologischer Provenienz ein Pendant zu einer rein säkularen Sicht auf den Menschen und in Aller Welt.

Wir sprechen über das humanum: gesellschaftlich wie menschlich relevanter können Geisteswissenschaften, zumal in diesen, nach Orientierung suchenden Zeiten, gar nicht sein – und darüber hinaus im fortwährenden Austausch untereinander zu Antworten finden, welche das Saeculum alleine nicht zu geben vermag.

 

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Satzmodi

Satzmodi

Satzmodi                                    – mps –

 

Modus = Aussageabsicht, Redeabsicht

  1. Indikativ: (vorhandene oder gedachte) Wirklichkeit
  2. Imperativ: subjektives Wollen – Befehl [vgl. u. Prohibitiv]
  3. Konjunktiv I: Ausdruck einer Möglichkeit

                                    zwischen

Wirklichkeit                                  Nicht-Wirklichkeit

(Realität: Indikativ)                   (Irrealität: Konjunktiv II)

 

  • in Aussagesätzen: Möglichkeit – Potentialis             (Negation: non)

narretis amicum nostrum miserum oratorem esse

vielleicht / möglicherweise erzählt ihr, dass unser Freund …

vix quisquam sufferat eius orationes miseras

kaum einer könnte wohl seine … ertragen               (Gegenwart)

crederes: man hätte glauben können [nur in bestimmten Wendungen]

vix  intellegeretis : ihr hättet wohl kaum verstanden                                                                                                                                            (Vergangenheit)

 

  • in Begehrssätzen:                                                (Negation: ne)

 

a.) Aufforderung (hortativus)

legas / legat: du sollst lesen / er soll lesen [an 3. Pers. auch iussivus]

legamus: lasst uns lesen

ne necaveris: du sollst nicht töten

[verneintes Gebot = Verbot: prohibitivus]

 

b.) Wunsch (optativus): erfüllbar

(utinam) legat: möge er doch lesen, hoffentlich liest er (Gegenwart)

(utinam) bene tibi consuluerim: möge ich Dir gut geraten haben,

hoffentlich habe ich Dir gut geraten (Vergangenheit)

 

c.) Überlegende Frage (deliberativus):

Quid faciam ? Maneam an abeam ?

Was soll ich tun ? Soll ich bleiben oder gehen ?

[Antwort: Aufforderung – … maneas: du sollst bleiben]

 

4. Konjunktiv II: Ausdruck einer Nicht-Wirklichkeit

  • in Aussagesätzen: Nicht-Wirklichkeit – Irrealis

si pacem acciperes, regnum ingens haberes (Irrealis der Gegenwart)

si tacuisses, philosophus mansisses (Irrealis der Vergangenheit)

 

  • in Begehrssätzen

Wunsch (optativus): nicht erfüllbar [vgl. o.]

utinam legeret: wenn er doch läse                                  (Gegenwart)

utinam Archimedes diutius vixisset

                 wenn Archimedes doch länger gelebt hätte   (Vergangenheit)

 

Der Indikativ bezeichnet als Satzmodus Etwas, das (nach Auffassung / Vorstellung des Sprechenden) ist (Realis); dementsprechend bezeichnet der Konjunktiv Etwas, das (noch) nicht ist, also Etwas, das

sein kann (Potentialis) – sein soll (Hortativ / Optativ) – nicht ist (Irrealis).

zur Gesamtübersicht aller Satzmodi auf der Innenseite

Satzarten

Satzarten

SATZARTEN                                              – mps

I. Hauptsätze

Aussage (Urteil):

(wirklich)           – Realis:          Indikativ

(möglich)           – Potentialis:  Konjunktiv  I

(nicht-wirklich) – Irrealis: Konjunktiv  II

 

Frage:     a) Wortfrage  (Sachfrage)

b) Satzfrage (Entscheidungsfrage)

c)  Doppelfrage

 

Begehrssatz:

Wunsch

Aufforderung

 

II. Nebensätze

Attributsätze

Relativsätze

Adverbialsätze

temporale Nebensätze [Zeit]

modale Nebensätze [Art und Weise]

[logische Nebensätze = gedankliches Verhältnis zum nächstübergeordneten Prädikat:]

causal [Grund]

final [Zweck]

konsekutiv [Folge]

kondizional [Bedingung]

konzessiv [Gegengrund]

adversativ [Gegensatz]

zur Gesamtübersicht (Tabelle) aller Haupt- und Nebensatzarten auf der Innenseite

 

Gerundium-und-Gerundivum

Gerundium-und-Gerundivum

Gerundialia                                                      mps

 

GERUNDIUM:

 

Verbalsubstantiv,    aktiv !, neutrum Singular – Deklination des Infinitiv (Þ eigene Akkusativform nur zusammen mit Präposition [meist ad]); wo es Subjekt (Nomina-tiv) oder direktes Objekt (Akkusativ ohne Präposition) ist, steht der Infinitiv.

 

  • Ergänzungen wie beim Verb: Objekt / Adverb / adverbiale Bestimmungen.
  • Das Gerundium bezeichnet stets eine Gleichzeitigkeit.
  • Bildung: Präsensstamm scribe / nd / Kasusendungen neutr. Sg. o-Dekl.

 

occasio             diligenter        scribendi            epistulam

tempus / cupidus        scribendi         epistulam

[epistulam]     scribendi         causā   (final: um zu …; wegen)

paratus ad scribendum (eigene Form nur bei bloßem Gerundium nach                                                     Präposition)

scribendo (instr.) epistulam   (modal: dadurch dass; indem)

unüblich:      in scribendo    epistulam

paratus            ad scribendum                        epistulam

bei präpositionalen Wendungen steht Gerundivkonstruktion (s.u.)!

 

 

GERUNDIVUM:

 

Verbaladjektiv, passiv !, vollständiges Paradigma: scribendus, -a, -um; Bildung: Präsensstamm  scribe / nd / Kasusendungen o- / a- Deklination.

  • Gerundivum (als Attribut) anstelle / pro Gerundio (mit Akkusativ-Objekt)1:

Gerundivkonstruktion / attributiv:

  • tempus / cupidus epistulae scribendae
  • epistulae scribendae causā
  • (in) epistulā scribendā (modal: beim; dadurch dass …)
  • paratus ad epistulam scribendam            (final: [um] zu + Infinitiv)

 

1Das aktive Gerundium + Akkusativ-Objekt kann im Genitiv und Ablativ, muss in der Regel im Dativ oder präpositionalen Ausdruck durch das Gerundivum im gleichen Kasus ersetzt werden, welches als Attribut mit passivem Charakter zum vorherigen Akkusativ-Objekt als zugehörigem Nomen tritt; die Satzteilfunktion des vormaligen Gerundiums wird nunmehr vom Beziehungswort desGerundivums übernommen, der Numerus bleibt der des ehemaligen Akkusativ-Objektes – kurz: die Satzteilfunktion des Gerundiums „wandert“ zu dessen Akkusativ-Objekt, die –nd-Form „verkommt“ zum bloßen Attribut seines früheren Objektes.

 

–     Nobiles Romani        peritissimi errant                       peritissimi erant

                                                civitatem  regendi                     civitatis regendae.

–    Viri docti delectantur             libros legendo                        libris legendis.

–    Nautae             navem reficiendo            operam dant

                                   navi reficiendae               operam dant.

–    Maxima diligentia        adhibenda est               in eligendo amicos

                                                     adhibenda est               in eligendis amicis.

 

Das Gerundivum ist „Ersatzform“ für das (fehlende) Partizip Präsens Passiv !

 

 mit notio necessitatis:

2.)       a.) prädikativ bei Verben des Gebens und Nehmens sowie                                                         curare:

–    pater    vicino              domum            custodiendam             dat.

–    Caesar       pontem       trans Rhenum      faciendum       curat.

b) als Prädikatsnomen bei esse:

               liber (mihi) legendus est (bei Negation: nicht dürfen).

Der-AcI-zum-Ausdruck-der-abhängigen-Aussage

AcI-NcI-L-Gr

Der AcI zum Ausdruck der abhängigen Aussage  – mps –

 

Video            servum:                     servus                         laborat

Nom.:            Subjekt                                                                3. Sg.: Praedikat

video                                                          servum                        laborare

audio                                                         servum                        laborare

Akk.: Objekt            Infinitiv

Dico                                                           servum                        laborare

Scio                                                            servum                        laborare

Akk.: Subjekt           Infinitiv: Praedikat

im Deutschen:          Hauptsatz                 +                        Nebensatz 

sehen/hören/wissen,           dass            …        abhängige Aussage

ich weiß,                   dass                      der Sklave                   arbeitet

 

im Lateinischen:      Praedikat                  +                        Objekt(satz):

<Kopfverb> eigenständige Aussage mit Verben des Sagens, Fühlens, Meinens   +   AkkusativSubjekt/InfinitivPraedikat = A c I

 

 Der AcI (Accusativ cum Infinitivo) ist das lateinische Ausdrucksmittel für die indirekte oder abhängige Aussage (<dass – Satz>) im Deutschen.

Das heißt: die ursprünglich selbständige = direkte Aussage <der Sklave arbeitet / servus laborat> wird von einem Verb (oder Ausdruck) des Sagens oder Meinens (<verbum dicendi et sentiendi>)  dicere / videre / audire / scire  u.a. abhängig gemacht:

Ich sage / behaupte ,            dass                der Sklave            arbeitet

Dico                                                                           servum                   laborare

Das Subjekt der jetzt abhängigen Aussage (im Deutschen: dass-Satz) steht nunmehr im Akkusativ (AkkusativSubjekt), das Prädikat der abhängigen Aussage steht im Infinitiv (InfinitivPraedikat).

Der AcI ist (im Unterschied zur abhängigen Aussage, dem <dass-Satz>, im Deutschen) im Lateinischen kein eigener Nebensatz (Gliedsatz), sondern Satzteil (Satzglied) und Ergänzung zum übergeordneten Praedikat, dem verbum dicendi / sentiendi (<Kopfverb>): zumeist Objekt („wen oder was sage / meine … ich ?). Seine eigene Verbform (im Infinitiv) zeigt aber, daß auch im AcI eine vollständige (= satzwertige) Aussage gemacht wird.

 

[Ausnahme:              constat                             servum                 laborare

es steht fest,              dass                                  der Sklave        arbeitet

hier ist der AcI Subjekt zum regierenden (unpersönlichen) Ausdruck

constat: wer oder was steht fest (ist bekannt, nicht neu, außer Zweifel)?

 

a.) AcI und doppelter Akkusativ

 b.) NcI und doppelter Nominativ

Übungen zum AcI – NcI – (doppeltem Akkusativ / Nominativ)

Besonderheiten im AcI – Gebrauch des Griechischen

 

Die vollständige Darstellung aller Punkte mit Beispielen im Lateinischen und Griechischen auf der Innenseite

 

Partizip-Genitivus-absolutus

Partizip-Genitivus-absolutus

Partizip und Genitivus absolutus                        – mps –

 

 Übungen zum Partizip in KG und NT-Griechisch

 Vorgehensweise bei Participium coniunctum PC und Genitivus absolutus GmP (im Griechischen wie im Lateinischen – hierzu in Allem auch → Partizip-Ablativus-absolutus):

  • Erkennen der übergeordneten (Prädikat) sowie der untergeordneten (Partizip) Verbform.
  • Bestimmung der Form des Partizips und Zuordnung zu seinem Beziehungswort (KNG) – diese entfällt natürlich beim absoluten Genitiv mit Partizip.
  • Abgrenzung des ‚Partizip-Bereiches‘ vom Funktionsbereich des Prädikates.
  • Auswahl nach Sinn und Kontext aus den verschiedenen Wiedergabemöglichkeiten des Partizips.

 

Ergänzende Anmerkungen – das Partizip

morphologisch:

-(ο-)ντ–                      Partizip im Aktiv             (→ konsonantische                                                                                                                       Deklination

-(ó-)μεν-ος               Partizip mediopassiv            (→ o-/a- Deklination)

 

syntaktisch:

das Partizip ist eine satzwertige Konstruktion

partizip attributiv – PC                  (→ Attributsatz = Relativsatz)

partizip adverbial – PC                  (→ adverbiale Nebensätze =                                                                                                 temporal, causal u.a.)

partizip absolut – GenAbsol        (→ adverbiale NS = temporal,                                                                                               causal, konditional u.a.)

 

Wiedergabe:

  • bei-ordnen – Partizip mit der übergeordneten Verbform durch und verbunden
  • unter-ordnen – aus dem Partizip wird ein Nebensatz (häufigste Form, s.o.)
  • ein-ordnen – aus PC/GA wird ein entsprechender präpositionaler

 

Beispiele Klassisches Griechisch

Beispiele aus dem NT

Zum Partizip im Griechischen – praedikativer Gebrauch

 

zur Bildung des Partizips sowie  zu allen genannten Punkten mit griechischem Text und Beispielen → auf der Innenseite

 

Partizip-Ablativus-absolutus

Partizip-Ablativus-absolutus

Partizip und Ablativus absolutus             – mps –

 

 Zum Begriff: parti-ceps: teilnehmend (pars/capere)

Das Partizip nimmt teil an zwei Wortarten: Es wird abgeleitet von einem Verbum (laudare -loben: laudans -lobend) und bildet KNG wie ein Nomen (magistri laudantes – die lobenden Lehrer / laudantem – den lobenden), sei es adjectivum, sei es substantivum.

Wir unterscheiden zwei Arten von Partizipien:

Partizip Präsens (der Gleichzeitigkeit) Aktiv

Partizip Perfekt (der Vorzeitigkeit) Passiv

Der Form nach (KNG) Nomen, beinhaltet das Partizip gleichwohl weiterhin eine Verbalhandlung bzw. -vorgang (® Ergänzungen wie bei einem Verbum):

Die im Partizip ausgedrückte Verbalhandlung steht zur übergeordneten (finiten) Verbform in einem bestimmten zeitlichen Verhältnis:

laudans           lobend: gleichzeitig (aktiv)

laudatus          gelobt: vorzeitig (passiv)

In seiner adjektivischen Verwendungsweise (KNG-Kongruenz [con-gruere: übereinstimmen] mit einem Beziehungswort            →        Participium coniunctum) kann das Partizip als Attribut (a) wie als Prädikativum (b) auftreten.

Das lateinische Partizip kann im Deutschen stets mit einem vollständigen Nebensatz wiedergegeben werden.

Welche Art von Nebensatz zu wählen ist, entscheiden Sinn- und Kontext. Im Partizip, das jetzt zum Prädikat des neugebildeten Nebensatzes geworden ist, wird weiterhin ein bestimmtes zeitliches Verhältnis zur übergeordneten Verbform (hier dem Hauptsatzprädikat) ausgedrückt.

Zeitverhältnis (→ consecutio temporum)

auf/zur Zeitstufe        gleichzeitig              vorzeitig

===================================================

Gegenwart                Präsens                      Imperfekt

 

Vergangenheit         Imperfekt                  Plusquamperfekt

 

Zukunft                     Futur I                       Futur II

===================================================

 

Außer der Unterordnung durch einen Nebensatz kann ein Partizip aber auch der übergeordneten Verbform gleich- bzw. beigeordnet und mit dieser als weitere (finite) Verbform verbunden werden.

Statt mit einer Subjunktion (als, da, obwohl, wenn, indem) wird das Partizip durch eine Konjunktion (und, aber) mit der übergeordneten Verbform (hier: fliehen) verbunden.

Dies kann sogar zu zwei selbständigen, gleichgeordneten Hauptsätzen (in einem bestimmten gedanklichen Verhältnis zueinander) führen:

  1. a) Die Freunde fürchten sich vor dem Bademeister. Deshalb fliehen sie aus dem Schwimmbad.
  2. b) Die Freunde fliehen aus dem Schwimmbad. Denn sie fürchten sich vor dem Bademeister.

Das Partizip kann schließlich auch in einen präpositionalen Ausdruck gewendet werden.

 

Ablativ mit Partizip (AmP) / ablativus absolutus

 

1.) Viribus fluminum per vias effusis            omnes homines rapiebantur.

= Alle Menschen wurden von der Gewalt der Fluten mitgerissen, welche sich durch die Straßen ergossen hatten.

= Alle Menschen wurden mitgerissen, weil sich die Gewalt der Fluten durch die Straßen ergossen hatte.

Viribus  fluminum per vias  effusis         ║            omnes homines rapiebantur

Ablativ           mit                  Partizip             ║

Subjekt           →                    Praedikat        ║

Nebensatz                                                             ║            Hauptaussage

 

2.) Ponte interrupto            hostes flumen transire non poterant.

= Durch die / wegen der unterbrochenen Brücke konnten die Feinde den Fluss nicht überqueren.

= Weil die Brücke unterbrochen war, konnten die Feinde den Fluss nicht überqueren.

 

3.) Flammis recedentibus  servi stabulis appropinquare poterant.

= Wegen der zurückweichenden Flammen konnten sich die Sklaven den Stallungen nähern.

= Weil die Flammen zurückwichen, konnten sich die Sklaven den Stallungen nähern.

= Als / während die Flammen zurückwichen, konnten sich die Sklaven den Stallungen nähern.

 

4.) Hominibus cornu tubaque canentibus            gladiatores arenam intraverunt.

= Während Männer auf Horn und Trompete spielten, betraten die Gladiatoren die Arena.

 

Die Bezeichnung AmP beschreibt (formal) die Verbindung eines Nomens(auch Pronomens) im Ablativ (als Beziehungswort) mit einem Partizip im gleichen Kasus (KNG – Übereinstimmung !).

Wie alle Partizipien in Nebensätze aufgelöst und wiedergegeben werden können, so läßt sich auch die Verbindung von Nomen im Ablativ mit Partizip durch einen Nebensatz ausdrücken: in diesem neu zu bildenden Nebensatz wird das Nomen im Ablativ Subjekt, das Partizip (KNG !) wird zum Prädikat.

Das Genus verbi des (neuen) Prädikates entspricht dem des Partizips, das Tempus richtet sich nach dem Zeitverhältnis, welches das Partizip zur übergeordneten Verbform ausdrückte (← Partizip der Gleichzeitigkeit Aktiv / Partizip der Vorzeitigkeit Passiv: zu den Regeln der Zeitenfolge ← s.o. Partizip).

Das aus dem Partizip gebildete Nebensatzprädikat kann in gleicher Weise nähere (adverbiale) Bestimmungen oder Ergänzungen (Objekte) bei sich haben wie jede andere Verbform (häufig in Klammerstellung von Ablativ und Partizip gerahmt !).

Welche Art von Nebensatz zur Wiedergabe des AmP verwandt wird, richtet sich nach Sinn und Kontext.

Wie ein Nebensatz erfüllt auch der AmP die Satzteilfunktion adverbiale Bestimmung (zur nächst-übergeordneten Verbform); als solche ist der AmP von der Hauptaussage, welche vom übergeordneten Verbum bestimmt wird, ablösbar → die (syntaktische) Bezeichnung als Ablativus absolutus (ab-solvere: loslösen).

Es gibt auch verkürzte Formen des AmP oder Ablativus absolutus: die häufigste ist der (scheinbare) Ausfall der Partizipform. Hier ist durchweg eine entsprechende Form des Partizips von esse weggelassen (bei diesem Verb stets möglich), die dann ergänzt werden muss: s-e-nt-e / s-e-nt-ibus (vgl. etwa: ab-sentia, prae-sens).

 

Caesare duce [*sente]        Gallia tota expugnata est.

= Als Caesar (Heer)führer war, ist ganz Gallien erobert worden.

= Unter Führung Caesars ist ganz Gallien erobert worden.

 

Caesare mortuo [*sente]    cives libertate gaudebant.

= Weil Caesar tot war, freuten sich die Bürger an ihrer Freiheit.

 

Hannibale vivo [*sente]    Romani magnas clades acceperunt.

= Solange Hannibal lebte, erlitten die Römer schwere Niederlagen.

= Zu Lebzeiten Hannibals erlitten die Römer schwere Niederlagen.

 

Pompeio Crassoque consulibus [*sentibus]            Caesar bellum gessit.

= Während Pompeius und Crassus Konsuln waren, führte Caesar Krieg.

= Zur Zeit des Konsulats von Pompeius und Crassus führte Caesar Krieg.

 

Matre invita [*sente]          pueri pilā ludebant.

= Obwohl die Mutter es nicht wollte [unwillig war], spielten die Jungen Ball.