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Zu-W-Blösel-Die-römische-Republik

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Wolfgang Blösel: Die römische Republik – Forum und Expansion, München (Beck) 2015 [C.H. Beck Geschichte der Antike]. 304 S., € 16,95 (ISBN 978-3-406-67413-6).

Der Titel mutet zu eng gefasst an – W. Blösel (B.) beschreibt nicht allein das Rom der republikanischen Epoche seit dem Umsturz unter (L. Iunius) Brutus, sondern beginnt mit der Stadtentstehung im 9. Jh. v. Chr. und endet mit dem Untergang der res publica im zweiten Triumvirat. Wesentlich sind für B. drei Kernbegriffe: das pomerium (Stadtgrenze) als Scheidewand zwischen domi und militiae, das forum als Ausgangspunkt für jede öffentliche Laufbahn sowie das comitium als Versammlungsplatz und Stätte bürgerlicher Machtvergabe auf dem Forum; als religiöses Zentrum thront der Iuppiter-Tempel auf dem Capitol. Den innerstädtischen Comitien zur Wahl der Beamten ohne Gewaltbefugnis stehen solche auf dem Marsfeld (außerhalb des Pomeriums) gegenüber für die künftigen Inhaber eines militärischen Mandats (imperium). Von hier aus entwickelt B. in sieben Schritten die Geschichte der Republik von ihren archaischen Ursprüngen bis zur Einmündung in den Prinzipat des Augustus; Leitgedanke der dynamischen Expansion von einem italischen Stadtstaat zum römischen Weltreich ist die dauerhafte Rückbindung aller Amtsträger an das Forum, das steingewordene politische Herzstück des Imperium Romanum.

Der Gründungsmythos weist Rom als „Stadt ohne Ursprung“ (F. Dupont 2013) aus, als rituell beglaubigte (Plut. Rom. 11) Vereinigung von Fremdankömmlingen unter Führung des Romulus, eines Vertriebenen aus dem nahen Alba Longa (S. 15). Seinem – von Varro auf das Jahr 753 datierten – Akt der Stadtgründung aus Siedlungen auf dem Palatin, dem Quirinal und Esquilin steht die Auffassung einer allmählichen Stadtwerdung als deren Zusammenwachsens (Synoikismós) gegenüber, für griechische und etruskische Poleis vom 9. bis 6. Jh. durchaus üblich (S. 20). Siedlungsspuren in dieser verkehrsgünstig an der Kreuzung von Hirtenroute und Salzstraße gelegenen, von den etruskischen Nachbarn (nordwestlich), den Latinern (südlich), Faliskern und Sabinern (im Osten) heimgesuchten Mündungsregion des Tiber finden sich aus dem 15. und dann aus dem 10. Jh., vor-städtische Hüttenansammlungen und Nekropolen auf den o.g. Hügeln sowie im Forumstal erst aus dem 8. Jh. Die Schaffung der für das klassische Rom kennzeichnenden Institutionen verteilt die literarische Tradition sodann auf die kanonischen Sieben Könige (unterschiedlicher, aber dominierend etruskischer Herkunft) als stadtstaatliche Gründungsheroen. Zeitgleichen griechischen Tyrannen nicht unähnlich, bleiben sie in Zahl wie historischer Bewertung ein Konstrukt seit dem 4. Jh., die Vertreibung des ‚letzten‘ Tarquiniers (509/08) ein gewollter Synchronismus mit den Parallelereignissen in Athen, selbst deren Protagonist, Brutus der Hofnarr, eine Kunstfigur aus den Idealen einer republikanischen Nobilität (S. 29-31).

Wegmarken gliedern den Werdegang der libera res publica bis zur res publica amissa (Chr. Meier 21980), die B. weitgehend in der chronologischen Abfolge von Aufstieg und Fall der republikanischen Einrichtungen beschreitet, einhergehend mit der unaufhaltsamen Ausbreitung des Imperium Romanum über den gesamten Mittelmeerraum hinweg sowie dem zunehmenden Auftreten imperialer Ego’s. Dabei ist der Aufbau der einzelnen Kapitel so gehalten, dass eine Überblickspartie die historischen Verhältnisse, etwa die römischen Magistrate, in ihrer Entwicklung als Ganzes charakterisiert und sodann die einzelnen Phänomene, etwa Prätur oder Tribunat, näher beschrieben werden. Zwischenresümees zum Abschluss der einzelnen Sequenzen wären dem Gesamtzugriff auf den Stoff keineswegs abträglich gewesen.

Die Beseitigung des Königtums bedeutete ausdrücklich nicht die Zerschlagung des monarchischen imperium: dieses wurde vielmehr auf jährlich gewählte Oberbeamte, namentlich das doppelt besetzte Konsulat aufgeteilt; der rex blieb in sacraler Schrumpfform erhalten – auch dies vergleichbar im archaischen Griechenland, namentlich Athen. Innenpolitisch wurde diese erste Phase der Republik von den Ständekämpfen (seit 494: Auszug auf den mons sacer) zwischen Patriziern und Plebejern dominiert. Als überlange Geburtswehen des jungen Staates zumindest fragwürdig, die Standesidentitäten in der Umbruchphase nach der Königszeit zunächst eher offen, gelten als vorläufige Befriedung die Licinisch-Sextischen Gesetze von 367/66 mit der Zulassung der Plebejer zum Konsulat; Livius und Dionys von Halikarnass lassen die Zwistigkeiten gleichwohl noch bis zur letzten plebeischen Sezession 287 (auf den mons Ianiculus) andauern, während sie bei früheren Chronisten wie Fabius Pictor, dem Älteren Cato oder Polybios mit den Zwölftafelgesetzen Mitte des 5. Jh. enden.

Außenpolitisch galt es, sich gegen die etruskischen und latinischen Städte im mittelitalischen Umfeld zu behaupten, und hier tritt Rom zu Beginn der Republik durch zwei Verträge hervor: der erste mit den phönizischen Karthagern regelt die Machtsphäre im westlichen Mittelmeer zugunsten der Nordafrikaner, hält diese andererseits von der Küste Latiums fern; das foedus Cassianum von 493 vereinigt die Städte des schon älteren Latinerbundes (samt coloniae) unter der Führung Roms insbesondere gegen die Äquer, Volsker und Sabiner (S. 51). Die rivalisierende Etruskerstadt Veji wird in drei Kriegen bis zu ihrer Zerstörung und Eingemeindung 396 niedergerungen. Der ungehinderte Einfall der Gallier (390/87) führt zu einer Befestigung der Stadt (‚Servianische‘ Mauer); er unterbricht zwar fürs Erste die römische Expansion tiberaufwärts, nicht aber die konsequente Ausweitung des ager Romanus in Latium (S. 55).

Der zweite Schritt dehnt die Vormacht in der Region auf ganz Italien aus. Zuvor behandelt B. die Konsulatsverfassung von 367/66 (s.o.): in dieser resultiert der seit dem Ende des 5. Jh. wachsende Anspruch der Plebs über Volks- und Militärtribunat, plebeische Ädile und Quästoren hinaus auf politische Mitgestaltung in höchsten Staatsämtern und führt zur Kollegialität wie zur Heranbildung einer patrizisch-plebeischen Oberschicht. Der patrizische ‚Stand‘ als solcher hatte sich indes bereits nach der Mitte des 5. Jh. herausgeschält (S. 47), und auch die „arrivierten“ Plebejer (S. 62) schotteten sich alsbald gegen ambitiones aus der großen Mehrheit ihres Standes (homines novi) ab. Zugangskriterium für einen Sitz im Senat – unter Aufsicht der Zensoren – war nunmehr die Bekleidung eines kurulischen Amtes (S. 59). Schwerpunkte bis zum Jahr 264, regional ausgreifend und fortschreitend, sind für B. hernach neben einer erfolgreichen (und durchaus nicht gewaltfreien) Bündnis- und hierarchisch stark differenzierten Einvernahmepolitik (coloniae, municipia und andere Formen der Abhängigkeit) gegenüber den vielfältigen italischen Stämmen und Gemeinden zum Einen der Latiner- (341-338) sowie drei Kriege gegen die Samniten (343-290), welche ursprünglich aus den Bergtälern des Apennin in die fruchtbare Küstenebene Latiums und Kampaniens drängten. Seit 312 wird die Via Appia sukzessive als Heeresstraße parallel zur Küste ausgebaut und über Capua landeinwärts schließlich (243) bis nach Brundisium an der Adria weitergeführt. Zum Anderen und gleichzeitig zu den laufenden Auseinandersetzungen mit künftigen socii im Norden (Etrusker, Umbrer, Picener) die letztlich (275) siegreiche gegen den epirotischen König Pyrrhos (→ sein ‚Bonmot‘), den die griechischen Bürgerschaften Süditaliens (namentlich Tarent) gegen das Hegemonialstreben Roms zu Hilfe gerufen hatten und der sogleich als Sachwalter auch der Samniten, Lukaner und Bruttier auftrat.

Der dritte Schritt greift in zwei Richtungen auf die Oikuméne über: an sich waren die Machtsphären zwischen italischem Festland und karthagischem Nordafrika geklärt, auch die Zugehörigkeit Siziliens zur karthagischen in einem dritten Vertrag (306) mit Rom geregelt – B. korrigiert das Bild von der bloßen Handelsnation Karthago ohne weitergehende Interessen im jeweiligen Hinterland seiner Häfen (S. 91), und am Ende des 1. Punischen Krieges ist dessen Stellung im westlichen Mittelmeer zumindest angeschlagen. Die Eroberung von Sardinien und Korsika 237 machen das Tyrrhenische zum römischen Binnenmeer, Feldzüge bis in die Poebene (Via Flaminia 220) sichern die Gallia cisalpina, die Illyrer werden zu amici unterworfen. Den 2., von der Iberischen Halbinsel ausgehenden Punischen Krieg teilt B. (S. 110): mit der Kapitulation Capuas 210 vor den römischen Konsuln endet Hannibals Offensivkraft in Italien mangels Nachschub. Die Verlegung des Kriegsschauplatzes durch Scipio ins nordafrikanische Numidien erzwingt 202 die dortige Entscheidungsschlacht bei Zama: Karthago wird zur Regionalmacht zurückgestutzt, im 3. Punischen Krieg schließlich ausgeschaltet. Die Römer erobern den Osten im 2. Jh. vor allem gegen den Seleukidenkönig Antiochos III. sowie Philipp V. von Makedonien: während noch an den Isthmischen Spielen 196 der Konsul Flamininus die ‚Freiheit Griechenlands‘ erklärt, verwirkt Philipps Sohn und Nachfolger Perseus mit der Niederlage im 3. Makedonischen Krieg 168 bei Pydna sein Königreich wie die Eigenständigkeit der griechischen Poleis. Der letzte Aufstand des achäischen Bundes führt 146 zur Auslöschung Korinths und zum Ende griechischer Eigenstaatlichkeit in der Antike (S. 131). Rom ist Weltmacht.

Die Erfolge nach außen hatten Umbrüche im Innern gezeitigt – mit dem Jahr 133 beginnt das Jahrhundert der Bürgerkriege, so dass gerade dieser Teil von B.s Darstellung einen deutlich gesellschaftspolitischen Bezug hat (S. 155 ff.): die Ackergesetzgebung der Gracchen zugunsten der durch ständigen Kriegsdienst von Verelendung bedrohten Bauernsoldaten Roms; der zunächst militärisch (Jugurtha, Kimbern und Teutonen) bedingte, in Stadtrom virulente (Veteranen) Aufstieg des Parvenü Marius, welcher die schon im Spanischen Krieg (154-133) sich abzeichnende militärische „Dequalifizierung“ der Nobilität umso deutlicher machte; der Bundesgenossenkrieg 91-88 um die Verleihung des Bürgerrechts, an Regelungen der Jahre nach 338 anknüpfend – Gewalt wird gesellschaftsfähig im Binnenraum (S. 188). Die Konsulate Cinnas, des Parteifreundes von Marius und (wie er) Gegenspielers des Optimaten Sulla, dessen Ostfeldzug gegen Mithridates VI. von Pontos (87-84) und (zweimaliger) Marsch auf Rom, Diktatur wie Beseitigung des sullanischen ‚Systems‘(S. 211 f.) münden in das Schlusskapitel der Römischen Republik, nach Spartakusaufstand und Seeräuberkrieg, Ostkommando und Gallia ulterior in die Triumviratszeiten unter Pompeius und Caesar (ab 60), M. Antonius und Octavian (also jeweils Ost-West-Konstellationen), denen der letzte Republikaner Cicero trotz catilinarischer Aristie und Tyrannenmord am Ende (43) doch zum Opfer fällt – Augustus begründet 27 den Prinzipat (S. 265).

Dies Alles ist – der aufgezeigten Struktur folgend – detailliert geschildert, nicht immer frei von Sprüngen, den Schauplatzwechseln geschuldet. Kartenmaterial, das gerne auch etwas größerformatig hätte ausfallen können, begleitet anschaulich das machtpolitische Ausgreifen der Tiberstadt (nützliche ‚Sprachen-Karte‘ S. 49). Kurz gehaltene Anmerkungen bieten Quellen, eine kleinschrittige, erläuterte Zeittafel sorgt für chronologische Orientierung. Das Literaturverzeichnis folgt der Kapitelgliederung und nennt jeweils nach einem kompakten Forschungsüberblick die durchweg neueren Titel. Personen- (kein Sach-) und Ortsregister runden diesen ereignisgesättigten und eingehenden Blick auf Gestaltwerdung wie Verlust der res publica Romana ab.

Michael P. Schmude, Boppard

aus: FORUM CLASSICUM 58 (2015), S. 198-201

Der-Blick-von-außen-auf-das-Andere

Der-Blick-von-außen-auf das-Andere

Lektüregänge in der Mittelstufe – der „Blick von außen auf das Andere“: Entdecker und Eroberer über fremde Menschen und Kulturen

von Michael P. Schmude,  Boppard

aus: Mitteilungsblatt des DAV-NRW 58 (2010), Heft 1, S. 9-19 – erweiterte und ausgeführte Fassung → Pegasus XII/1 (2012), S. 33-49 (mit Anhängen)

 

Friedrich Maier beklagte bereits vor Jahren die an den lateinischen Spracherwerb sich anschließende Phase als „Torso […] ohne echtes Profil und auch weithin ohne begründbares Konzept“ [Forum Classicum 45 (2002), 175-185], als „nervigen Übersetzungsdrill“ in Schwundstufenform lückenhafter syntaktischer und lexikalischer Kenntnisse bei den Lernenden, „ohne viel Rücksicht auf den Inhalt des so Übersetzten“, in den Augen der Schülerinnen und Schüler ohne „den geringsten Wert für ihr Leben“. Maier plädiert für eine Reform des Lektüreunterrichtes in der Mittelstufe in Richtung ‚Autorenmodell‘ oder ‚Lesebuchmodell‘, was im gleichen Jahr Niederschlag in Gestalt des Pegasus findet. Freilich spricht er noch Ende 2005 in einem Vergleich der Lage des Lateinunterrichtes hierzulande mit demjenigen in Österreich weiterhin vom „Dilemma der Mittelstufe“ bzw. vom „Mittelstufenproblem“ [Forum Classicum 48 (2005), 252], und vor dem Hintergrund, daß in Deutschland 80 % der Schülerinnen und Schüler ihren Lateinunterricht vor dem Eintritt in die Oberstufe beenden, kommt einer „überzeugenden konzeptionellen Vorgabe für den Lektüreunterricht der Mittelstufe“ (Maier) eine herausragende Bedeutung mit Blick auf Attraktivität und Wählbarkeit des Faches auch für darauffolgende Schuljahre zu.

Klaus Westphalen bezeichnet in seinem Grundsatzartikel „Wohin steuert der Lateinunterricht ?“ in Heft 3 des Forum Classicum 48 (2005), 175-181 mit ganzen 10 (!) Zeilen die Phase der Mittelstufenlektüre (in Übergangs-, Erst- und Autorenlektüre) als „das Experimentierfeld des multivalenten Faches“, auf welchem „sich der Charakter des Lateinunterrichts  am stärksten verändert“ habe, und unterscheidet (179) als Lektüreangebote: 1.) herkömmliche Autorenlektüre typischer Anfangsautoren (wie Caesar, Nepos, Terenz) sowie später anspruchsvollerer Literatur (vor allem Ovid, Sallust); 2.) spezielle Übergangslektüre, d.h. leichte, interessante, manchmal sogar neu verfaßte Texte (etwa die unten noch genannte Transit-Reihe); 3.) erleichterte Autorenlektüre, teilweise in Form sog. easy readers (hierzu gehören auch die u.g. <Modelle zum Altsprachlichen Unterricht> des Kölner Arbeitskreises ‚Lateinische Anfangslektüre‘); 4.) themenbezogene Lesebücher mit starker Betonung des Kulturerbes – vor allem aus der Reihe <Antike und Gegenwart> der von F. Maier (s.o.) herausgegebene Band Pegasus – Das lateinische Lesebuch der Mittelstufe (materialreicher Lehrerkommentar 2005); 5.) schülerorientierte Lesebücher, gezielt bezogen auf „Fragen und Probleme der Jugendlichen“ (Tolle lege oder die Übergangslektüre der Prima 2006 ff.); 6.) traditionelle Autorenlesebücher (Anthologien wie die Gustula).

Im Mitteilungsblatt des LV NRW im DAV (4/2008) sichtet Tom van de Loo verschiedene Möglichkeiten der „Übergangslektüre als Nahtstelle zwischen Lehrbuch und kontinuierlicher Lektüre“ (S. 4-29) und systematisiert darin (S. 7-9) nach 1.) literarischen Gattungen, 2.) Autoren- oder thematischen Lektüren, 3.) adaptierten oder Originaltexten sowie 4.) an ein vorangehendes Lehrbuch anschließenden oder lehrwerkunabhängigen Sammlungen. Als Eignungskriterien für eine Übergangslektüre benennt er (S. 10 f.): a) leichte bis mittelschwere (ggfs. adaptierte) Originaltexte für eine plurima lectio, b) Schulung und Vertiefung der Kompetenzen Texterschließung und Übersetzung; dabei Vervollständigung lektürerelevanter sprachlicher Phänomene aus der Lehrbuchphase, c) inhaltliche Ergiebigkeit für Möglichkeiten der Interpretation sowie d) Interesse für und Verbindung zur Lebenswelt der Schüler – Stichwort: „historische Kommunikation“ und Bewußtsein um das Werden der europäischen Kultur.

Im Folgenden soll zunächst aus eigener Erfahrung eine an die Spracherlernung anknüpfende – und stets erweiterbare – Auswahl möglicher Lektüredurchgänge für die Mittelstufe vorgestellt werden – nicht um einen alternativen Kanon jetzt etwa zu kreieren, sondern um mögliche ‚Rote Lektüre-Fäden‚ zu spannen, welche Schüler/innen – zumal in einer ja nicht ganz unproblematischen Phase ihrer Entwicklung – altersgerecht Fragestellungen der römischen und lateinischen Literatur entdecken und ihnen vertraut werden lassen, die ihrer eigenen Lebenswelt alles andere als fern stehen, die sozusagen das <Weltwissen> der antiken Texte zu <Lebenswissen> bei den jungen Menschen verdichten … – und hierauf gründet sich sodann auch die Wahl gerade dieses Schwerpunktes einer Lektürereihe: der „Blick von außen auf das Fremde“ – subjektiv, gesteuert und/oder steuernd: wie bildet sich ein Bild ? (Vespuccis Mundus Novus, Caesars ethnographische Exkurse im Bellum Gallicum V/VI) – und welche Folgen hat dies ? Als Ausblick und Vertiefung schließlich die Debatte zwischen Sepúlveda und de Las Casas über angemessenen Umgang mit den indigenen Völkern: die größere zeitliche Nähe zu den Schüler/innen (bei immer noch verbleibenden 500 Jahren natürlich durchaus relativ), die Positionierung an einer Epochenmarke, dem Beginn der Neuzeit mit ihren großen, bahnbrechenden Neuentdeckungen, nicht zuletzt aber ihre Aktualität aufgrund der Parallelen zur unmittelbaren Jetzt-Zeit der Lesenden machen eine solchermaßen thematische Lektüre zu einer weiterführenden, weil die geistige Auseinandersetzung befördernden Anregung und denkbaren Alternative zu herkömmlichen Lektüregängen der Mittelstufe. – Zunächst also:

 [die Anordnung innerhalb der Spalten der Tabelle ist nicht korrekt; planmäßige Wiedergabe in der herunterzuladenden PDF-Datei s.o.]
Cicero in Verrem [Modelle zum AU; didaktisiert]:

Ciceros berufliche Anfänge als Politiker; Cicero als Redner und Anwalt.

Römische Provinzialverwaltung (= Actionis in C. Verrem Sec. liber IV 60 ff.)

Rhetorik

bearb. vom Kölner Arbeitskreis ‚Lateinische Anfangslektüre‘ (Frankfurt / Diesterweg 3199o).

 

Cicero – Philippica:

Vom Machtkampf nach Caesars Ermordung [Modelle zum AU; didaktisiert]:

Cicero gegen Antonius im Herbst des Jahres 44 (aus der Oratio Philippica II)

‚Res publica amissa‘

bearb. vom Kölner Arbeitskreis ‚Lateinische Anfangslektüre‘ (Frankfurt / Diesterweg 1987).

 

Historia Apollonii regis Tyri:

Roman mit Elementen aus Epos, Märchen, Tragödie, Komödie, Geschichtsschreibung, von K.-H. Niemann (Stuttgart/Klett 1992 ff.) [vgl. AU 34,4 (1991), 28-35] – auch in den Gesta Romanorum, Nr. 153.

 

 

 

 

Curtius Rufus – Alexander der Große, bearb. von J. Fuchs und G. Flemmig (Bamberg/Buchners 2005 ff.) [ratio 1].

 

Caesar – Bellum Gallicum

 

 

BG I, 1-3o (bellum Helveticum).

 

 

 

 

Vgl. auch die beiden der Übergangs- und Erstlektüre gewidmeten Hefte des AU 18,5 (1975) und 43,4+5 (2000).

 

Mundus Novus Texte zur Entdeckung der Neuen Welt (Vespucci, Cortes, Petrus Martyr u.a.), von J. Klowski und E. Schäfer (Stuttgart/Klett 1991 ff.) [vgl. AU 27,6 (1984) 49-70 / 30,2 (1987) 47 ff. / Gymnasium 100 (1993) 323-41 / Anregung 43 (1997) 320-23, 329-40] – De Indis nuper inventis (s.u.), von R. John (Bamberg/Buchners 22005 ff. [Studio 2]).

 

Terenz, Eunuchus Die private Welt der hellenistischen Komödie.

 

[Plautus in Comics – Die Gespenster-geschichte (Mostellaria), mit dem latei-nischen Text dargest. von H. Oberst (Zürich-München/Artemis 101993)].

 

Caesar, Bellum Gallicum Ethnographische Passagen: Gallier- und Germanenexkurs (VI 11-28), Britannierexkurs (V 12-14).

 

Ovid, Metamorphosen selectas composuit Rubricastellaunus / pinxit Martin Frei (Klett 1996) – in Bildergeschichten mit dem Originaltext unter der jeweiligen Bildsequenz.

 

Caesar, Bellum GallicumBritannienexpeditionen (IV 2o ff./ V 8-23).

 

Caesar, Bellum Gallicum Buch VII: der Freiheitskampf der Gallier unter Vercingetorix.

 

 

 

I. Textgrundlage für die anschließende Lektüresequenz „der Blick von außen auf das zivilisatorisch Fremdartige“:

  • Americo Vespucci: Mundus Novus (1503), insbes. Zeile 90 – 165: quoad gentes …
  • Juan Ginés de Sepúlveda: Apologia pro libro de iusti belli causis (1550) I – IV
  • Bartolomé de Las Casas: Adversus persecutores et calumniatores gentium novi orbis ad oceanum reperti Apologia (1550) I – IV.

[alle in: Mundus Novus – Lateinische Texte zur Eroberung Amerikas, ausgewählt und erläutert von J. Klowski und E. Schäfer (Stuttgart/Klett 1991 ff.)]

 

  • Caesar, BG VI 13-19 (Gallier), 21-23 (Germanen); V 12/14 (Britannier).

optional → aus Jahrgangsstufe 11: Tacitus, Germania: Auswahl insbes. aus c. 7 – 27: Ursprung und Sitten der Germanen im Ganzen, u.a. Gefolgschaft; Kult; Politik und Gerichtswesen; Kleidung und Ehe, Erziehung, häusliches Leben und Siedlung.

 

Ein Zeitansatz für diesen Lektüreschwerpunkt selbst kann durchaus variieren: neben den ‚üblichen‘ Faktoren wie Klassengröße, tatsächlicher Wochenstundenzahl, Alter oder Leistungsstärke der Lerngruppe wird er im wesentlichen vom gewählten Umfang der Originallektüre (z.B. Mundus Novus ganz oder lediglich quoad gentes …), ihrer Unterstützung und Entlastung durch Schülerreferate (etwa zum Britannier- oder Germanenexkurs BG V 12-14 bzw. VI 21-24) oder arbeitsteilige Gruppenarbeiten (s.u. zu Sepúlveda – de Las Casas) bzw. Lernzirkel (Stationenlernen) bestimmt sein.

 

1499 kehrt Vasco da Gama aus dem vorderindischen Calicut nach Portugal zurück, hat Südafrika und das Kap der Guten Hoffnung umrundet und damit den Seeweg nach Indien entdeckt – anders als der Genuese Christoph Kolumbus, welcher (für die spanische Königin Isabella) seit 1492 lediglich die Karibischen Inseln sowie die Küsten Mittel- und des nördlichen Südamerika angesteuert hatte. 1500 weicht Pedro Alvares Cabral den Windverhältnissen im Golf von Guinea1 nach Südwesten aus und sichert Portugal die Ostküste Brasiliens, nachdem bereits 1497 der Italiener in englischen Diensten (Heinrichs VII) Giovanni Caboto im Norden die Ostküste Kanadas (Neufundland) wiederentdeckt2 hatte.

Der gebürtige Florentiner Amerigo Vespucci, Leiter der von Lorenzo Di (Sohn des) Pierfrancesco de‘ Medici in Sevilla gegründeten Handelsniederlassung, nahm zwischen 1497 und 1504 an vier Entdeckungsreisen nach Mittel- und Südamerika teil, die beiden letzten im Auftrag des portugiesischen Königs Emanuel I.; auf seiner dritten und wichtigsten betritt er 1502 die brasilianische Küste und berichtet in einem Brief an den Herrn seines Bankhauses über das neuentdeckte Land.

Dieser Ende 1502/Anfang 1503 ursprünglich italienisch abgefaßte Brief taucht im Jahre 1503 gleichzeitig in verschiedenen europäischen Städten, namentlich Paris und Florenz, unter dem Titel Mundus Novus in lateinischer Fassung auf  (das italienische Original ist nicht erhalten): am 14. Mai 1501 sticht Vespucci von Lissabon aus mit drei Schiffen (zehn Monate) in südlicher Richtung in See. Vorbei an den Kanaren und der nordafrikanischen Küste (litus Africum) legen sie bei Cap Verde (Mandingha, 14° nördl. Breite) im Westen des Senegal und Gambias an der Küste Schwarzafrikas (litus Aethiopicum) an, um von dort aus in südwestlicher Richtung den Atlantik zu überqueren und nach zwei Monaten und drei Tagen an der Nordküste Brasiliens südlich der Amazonasmündung zu landen, die man – mit mehreren Landgängen und freundlicher Aufnahme durch die einheimische Bevölkerung – zunächst östlich, sodann (auf 8° südl. Breite) etwa um das heutige Recife (vorm. Pernambuco) herum weiter nach Süden (bis über den südlichen Wendekreis [des Steinbocks] hinaus auf 17,5 Grad an den antarktischen Polarkreis heran) entlangfährt: man beschließt, die Gegenden zu erkunden und ihre Einwohner kennenzulernen, man wird überall gastlich empfangen und hat freundschaftlichen Umgang mit den Bewohnern der Landstriche.

1Hanno von Karthago hatte um 500 v. Chr. an dieser Stelle vor dem Gabun/Kamerun seine Entdeckungsreise über die Säulen des Herakles (Straße von Gibraltar) hinaus in südlicher Richtung um die westafrikanische Küste abbrechen und in der Bucht ‚Horn des Südwindes‘ umkehren müssen, weil man zur damaligen Zeit noch nicht gegen den Wind segeln konnte.

2Der Norweger Leif Eriksson, Sohn Eriks des Roten, war um 1000 von Grönland nach Labrador und Nova Scotia abgedriftet.

 

Arbeitsauftrag – nach gemeinsamer Lektüre betrachten vier Gruppen Z. 90-165 hinsichtlich wertungsneutraler, positiver und negativer Eigenschaften und tragen diese in einem ersten Schritt in die vorbereiteten Spalten einer Tabelle ein, wobei sie folgende, sich in Einzelnem überschneidende Gesichtspunkte zur Eingrenzung der besonderen Merkmale der Indios Vespuccis (!) untereinander aufteilen:

1.) Soziale Bindungen; Generationen,

2.) Lebensweise(n); individuelle Eigenart(en),

3.) Wirtschaftsbeziehungen,

4.) Gemeinwesen innerhalb wie außerhalb – Gesellschaftsstrukturen.

Zwei Grundaussagen durchziehen Verspuccis Darstellung der indianischen Ureinwohner:

a) Breitestes Schwelgen in allen Formen der Körperlichkeit, beginnend mit einer neutral (aber 92–94: Nacktheit !) bis positiven Darstellung (wohl geformt – grazile Bewegungen (102 f.), welche sehr bald aber einmündet in eine Klimax der Abartigkeiten: ‚Piercing‘ in allen Gesichtsteilen (104–17), Sexualpraktiken (118–22), Polygamie und völlige Promiskuität (125–27), Grausamkeit im Krieg (130–32), Kannibalismus (133–40), Wollust der Indiofrauen gleichwohl ohne äußerliche Verunstaltung (145–52): gerade in Letzterem ein Bedienen eines männlichen Voyeurismus mit ‚Frivolitäten‘, über welche heutige Jugendliche vielleicht gerade noch lächeln, aber gerade für Schüler/innen lehrreich: zur Herabsetzung fremder Ethnien ebenso wie sozialer, hier: geschlechtlicher Gruppen wird zuvorderst der Bereich körperlicher Eigenarten bemüht.

b) Abwesenheit jeglicher zivilisatorischer, geschweige staatlicher Strukturen wie Besitz, Administration, Kult, Kriegskunst oder Wirtschaftsleben: dies Alles freilich kurz, knapp, lapidar – lakonisch ‚abgehakt‘, geschwelgt wird in Anderem …

Aus Beidem ergibt sich ein Fehlen jeglicher öffentlicher gepaart mit einem Fehlen jeglicher moralischer Ordnung – Leitmotiv: Naturkinder (128 f.) bestiis similes (142): zur Herabsetzung fremder Ethnien wird sodann und abschließend das Vorhandensein jeglicher Kultur bzw. gesellschaftlicher (und damit auch moralischer !) Strukturen verneint, die Zivilisationsstufe in die Nähe derjenigen von Tieren gerückt.

 

II. Im Vergleich dazu lesen die Schüler/innen aus Caesars BG VI 13-19 (Gallier), 21-24 (Germanen), V 12/14 (Britannier) die sachlich-pragmatische Darstellung der gallischen (und germanischen) Gemeinwesen und ihrer ‚Bauteile‘ in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit (natürlich in seinen Augen) überhaupt, zugleich aber auch für seine Darstellungsabsicht (→ Stärke und damit Bedrohlichkeit insbes. der Gallier für Rom).

Unter den folgenden Gesichtspunkten, welche von den Schüler/innen aus der laufenden Lektüre (bzw. Referaten: Britannier-, Germanenexkurs) heraus schon formuliert worden sind („Welche Themen behandelt Caesar in den Exkursen ?“), kann von der Lerngruppe ein tabellarischer Überblick – zunächst einmal nur für Gallier, Germanen und Britannier (für Indios eine freie Spalte lassen) – in arbeitsteiliger Gruppenarbeit erstellt und an der Tafel in Stichpunkten zusammengetragen werden:

1.) Gesellschaftsordnung:  Plebs [Sklavenstatus] – Druiden [Kult, Rechtssprechung, Strafgewalt; Geheimlehre, Lehrer] – Equites [Profi-Krieger wie bei den Germanen],

2.) Religion, Kultus und Götterhimmel [bei den Germanen eher unterentwickelt],

3.) Familie: Pater familias, aber auch vertraglich geregelte Gütergemeinschaft mit der Ehefrau. Stellung der Kinder [bei den Germanen hohe Wertschätzung später Geschlechtsreife und möglichst langer sexueller Abstinenz],

4.) Verwaltung: Beamte und Volksversammlung [nicht bei Germanen],

5.) Lebensweise: Gallier – Fehlanzeige [Germanen: Wirtschaftsform(en), Nahrung und Kleidung, Besitz, Gastrecht].

 

→ In einem zweiten Schritt wird nun betrachtet, wie Vespuccis Punkte der Ordnungs-, Kultur- und Moralfreiheit sich in die vorbereitete Übersicht zu Caesars Keltenexkursen einordnen [Eintragungen zu Indios]. Auch hier werden danach Leitfragen mit Blick auf die vorgenommenen Eintragungen zu stellen und zu diskutieren sein bzw. Arbeitsaufträge (Stillphase oder Partnerarbeit) – an die Schüler/innen:

a) Worauf legt Vespucci, worauf Caesar besonderes Gewicht im Allgemeinen ?

b) Was erregt ihre Aufmerksamkeit im Einzelnen, und welchen Beobachtungen räumen sie wie viel Platz ein ?

c) Was bezweckt der jeweilige Berichterstatter damit, welche Darstellungsabsicht leitet ihn offenbar ?

Die Schüler/innen werden vor dem Hintergrund ihrer vorausgegangenen Lektüre unschwer die völlig andersartige Gewichtung in der Betrachtungsweise Vespuccis und derjenigen Caesars erkennen:

hier der geradezu voyeuristische Überbringer mitunter gar bizarrer Fremd- und Andersartigkeit, insbesondere im persönlichen, individuellen Bereich. Ein ausgebildetes Gemeinwesen scheint nicht wirklich vorhanden.

dort der strategisch (militärisch wie politisch, außen- wie innenpolitisch) planende Analytiker der Stärke und damit zugleich der drohenden Gefährlichkeit gallischer (und germanischer) Gesellschaftsstrukturen für Roms Machtanspruch, welcher diese nicht zuletzt in eine Reihe mit „Hannibal ante portas“ (217/16 v. Chr.) und dem „Furor Teutonicus“ (105 v. Chr.) stellt.

d) Welche realen Folgen hat dies jeweils ? – Bei Caesar die fortlaufende Verlängerung seines Mandats in Gallien, bei Vespucci die von dem spanischen Hofchronisten (seit 1536) Sepúlveda und dem Dominikanermönch (und späteren Bischof von Guatemala) de Las Casas geführte Debatte um Behandlung und Wertschätzung der indianischen Völker.

 

Diese ist eingebettet in einen umfassenden Streit seit der ersten Begegnung der Spanier mit den Eingeborenen auf Haiti (12.10.1492 → Petrus Martyr 1516-30) über die Frage „Dürfen Indianer mit Gewalt bekehrt werden oder sollten Christen als Vorbild dienen ?“ (Franciscus de Victoria 1539), über die Sklavennatur der Azteken und ihre Kultur (J.G. Sepúlveda 1545) sowie die Gegenthese, daß man von den Eingeborenen durchaus lernen könne (B. de Las Casas 1550) – Texte (dazu Auszüge aus der Kolumbus-Biographie des Paulus Iovius 1551) gesammelt von R. John: De Indis nuper inventis: Texte zur Entdeckung Amerikas (Bamberg/Buchners 22005)[Studio 2] – diese können wahlweise weitergeführt und ergänzt werden durch zwei materialreiche und anschauliche Themenhefte über Konquistadoren in Peru – Theodor de Bry: Aufstieg und Fall der Gebrüder Pizarro, bearb. von A. Micha (Göttingen/Vandenhoeck 2004)[Clara 12] oder aber Wir und die anderen – Caesar und Tacitus über fremde Völker (darin auch: Cicero an seinen Bruder über die Griechen und Kolumbus über die Eingeborenen der Neuen Welt, sowie Isidor v. Sevilla [6. Jh.], Cicero, der Kirchenvater Augustinus und der Stoiker Seneca zum bellum iustum), von U. Blank-Sangmeister (Göttingen 2009)[Clara 27].

 

III. a) Welches sind die Grundthesen Sepúlvedas für eine Behandlung der Indiokulturen ? und b) An welchen Punkten ihrer Darstellung durch Vespuccis Mundus Novus lassen sich diese [in einer Tabelle gegenüber] verankern ?

Sodann sollte die insbes. auf Seiten de Las Casas‘ umfangreiche Argumentation in arbeitsteiliger Gruppenarbeit bewältigt werden – etwa je eine Gruppe die Erwiderung auf jede der vier Thesen Sepúlvedas, eine weitere diese selbst.

 

Eine wahlweise Abrundung dieses Lektüreganges noch in der Mittel-, aber bereits im Übergang zur Oberstufe könnte (10/11) – je nach den zeitlichen Möglichkeiten und Rahmenbedingungen – auch ein Blick in ganz entgegengesetzter geographischer Richtung bieten, statt in die Neue (westliche) Welt ins Morgenland auf die „Briefe aus der Türkei: der Gesandte Ogier de Busbecq im Reich Sultan Süleymans des Prächtigen“ (Antwerpen 1581) von J. Behrens (Bamberg/Buchners 2008)[Studio 7]: Ausdruck einer vorurteilsfreien, von Toleranz geprägten Sicht auf das Fremde, das Andere – Menschen und Völker, Kultur, Fauna und Flora – vor dem Hintergrund vieler verfälschender, mitunter haßerfüllter Türkeiberichte seiner früheren Zeitgenossen [Busbecq findet 1555 an einer Hauswand in der Hauptstadt der Provinz Galatien eine römisch-griechische Abschrift des Tatenberichts des Augustus: das Monumentum Ancyranum]. Unter Themenstichworten wie: Zusammentreffen der Kulturen, Infrastruktur, Botanik und Tierhaltung, Herrscher und Würdenträger, Mode, Militärwesen, Umgang mit Andersgläubigen und Rolle der Vorsehung, Stellung der Frau in der osmanischen Gesellschaft ist auch dies angesichts der gegenwärtigen gesellschaftlichen Diskussion um Miteinander oder Nebeneinander, Integration oder Parallelwelten, Toleranz oder Abgrenzung gegenüber der größten anders geprägten Bevölkerungsgruppe in Deutschland von höchster Aktualität und Einbettung im realen Leben der Schülerinnen und Schüler.

 

Transfer in die eigene Lebenswelt – moderne Parallelen zu Intention und Auswirkungen der Fremdenbilder Caesars und Vespuccis werden in einer abschließenden Diskussion den Schüler/innen die Nähe zu jüngeren und jüngsten tages- und weltpolitischen Handlungskonstellationen eröffnen: UN-Mandate in Krisenregionen; <Schurkenstaaten> und Drohpotential fremder Kulturen und Religionen; Heiliger-Krieg-Vorstellungen (gegen Ungläubige), aber auch Krieg in göttlichem Auftrag (bellum iustum gegen Terroristen); Begründungen für den Irak-Krieg mit der Bedrohlichkeit des Regimes von Saddam Hussein; Parallelen zwischen Imperium Romanum und heutigen amerikanischen Interessensansprüchen, u.a.m.