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Salviani-de-gubernatione-dei-libri-octo

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Salviani (presbyteri Massiliensis) De gubernatione Dei libri VIII

ed. F. Pauly (Wien 1883)

[in CSEL 8: Salviani presbyteri Massiliensis opera omnia]

übersetzt von  Michael P. Schmude,  Vinzenz Pallotti University Vallendar

Salvianus von Massilia – Philosoph und Theologe in den Stürmen der Völkerwanderungszeit

Salvian von Marseille, ursprünglich aus dem nördlichen Gallien stammend und Angehöriger einer Familie der romanischen Oberschicht in Trier (← De gub. VI 72) oder Köln (← epist. I 5), ist Betroffener und für uns ein wichtiger Zeitzeuge der Völkerwanderung und des Übergangs von der römischen zur fränkischen Herrschaft an Mosel und Rhein im 5. Jh.; seine Lebenszeit umfasst die Spanne von 400-480. Er studiert Jura und Rhetorik, was ihn auf eine Laufbahn in der Reichsverwaltung vorbereitet. Nach der Zerstörung Triers (die er neben derjenigen von Mainz in De gub. VI 39 erwähnt) flieht er mit seiner Frau Palladia und der Tochter Auspiciola (zur familiären Aufstellung → epist. 4) in den Süden des Landes, wo seit etwa 400 der gallische Prätorianerpraefekt und somit das Zentrum der weströmischen Verwaltung ansässig sind. Ein Teil seiner Verwandtschaft bleibt im besetzten Köln, wo der Machtwechsel zu den Franken wohl ohne Verwüstungen erfolgt ist; allerdings beklagt er, dass eine Angehörige dort jetzt aus Armut bei Barbarenfrauen Dienst tut (epist. I 6). 426 wird Salvian indes Mönch (← epist. I 8) in der asketischen, von Honoratus (dem späteren Bischof von Arles) um 410 begründeten Gemeinschaft auf der Insel Lérins (bei Cannes), enger Freund des (späteren Bischofs von Lyon) Eucherius (epist. II, VIII) und gegen 439 Presbyter in Marseille. Gennadius, Priester ebenda von 492-496 und jüngerer Zeitgenosse von Salvian, bezeugt in seinem Hauptwerk De viris illustribus von 495 für ihn (67 f.) ein Corpus von neun Briefen, vier Bücher Timothei ad Ecclesiam (ein Armuts- bzw. Askesegebot für die Priester und für die Christen insgesamt, ererbtes Vermögen der Kirche zu übereignen) sowie als (unvollendetes) Hauptwerk acht Bücher De gubernatione Dei aus dem Jahre 439/40.

Der darin gestellten Theodizee-Frage bzw. dem Vorwurf, Gott sorge sich nicht um die von ihm geschaffene Welt, begegnet er mit einer großangelegten Beweisführung, dass alles Leid der Zeit (im Besonderen die Einfälle der heidnisch-häretischen Goten, der Franken und Vandalen) Ausdruck von Gottes bereits einsetzendem Gericht über die mannigfachen Verfehlungen seines Volkes – namentlich im Römischen Reich – seien und gerade darum von einer Vernachlässigung (neglegentia) überhaupt keine Rede sein könne. Vielmehr kennten die Römer den Willen Gottes, ohne ihn zu befolgen, wohingegen die nichtchristlichen Barbaren moralisch handelten, ohne von diesem zu wissen; der beklagte Erfolg der Ungläubigen sei auf deren größere Sittenstrenge gegenüber der moralischen Verkommenheit der christlichen Römer zurückzuführen. Das Ergebnis ist eine schonungslose Abrechnung mit der ihn im weitesten Sinne umgebenden Gesellschaft im kynisch-stoischen Geiste und in der Haltung fortlaufend von ihm zitierter Mahner aus AT und NT. Literarische Vorbilder fand er hierfür in der klassisch-römischen Historiographie (Sallust, Tacitus), doch ist sein sprachlich-inhaltlicher Duktus durchaus auch von Elementen der oratorischen Téchnē geprägt. Vor diesem Hintergrund muss auch sein Wert als unmittelbare Quelle für die gesellschaftlichen Zustände im weströmischen Gallien des Jahrhunderts der Völkerwanderung gesehen werden.

Literatur: H. Lietzmann, in: RE [2. Reihe] I A, Sp. 2017 f.; R. Nürnberg, in: LThK3 8, Sp.1499 f.; S. Letsch-Brunner, in: DNP 10, Sp. 1271; A.M. Ritter, in: RGG4 7, Sp. 811. – J. Badewien: Geschichtstheologie und Sozialkritik im Werk Salvians von Marseille (Göttingen 1980); M. Meier: Geschichte der Völkerwanderungszeit … vom 3. bis zum 8. Jh. (München 82021), insbes. 555-559.

Textnahe Übersetzung des lateinischen Originals – vor einer zielsprachenorientierten Übertragung im Rahmen der ‚Bibliothek der Lateinischen Literatur der Spätantike‘ (BLLS) der Universitäten Eichstätt und Münster.

Zur Übersetzung aller acht Bücher de gub. Dei → ‚Innenseite‘