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Oliver Schütze (Hg.): Kleines Lexikon griechischer Autoren, Stuttgart (J.B. Metzler) 2015. 176 S., € 16,95 (ISBN 978-3-476-02706-1).

Oliver Schütze (Hg.): Kleines Lexikon römischer Autoren, Stuttgart (J.B. Metzler) 2015. 176 S., € 16,95 (ISBN 978-3-476-02707-8).

Die hier anzuzeigenden, ansprechend gestalteten und handlichen Bände reihen sich in gleich mehrfacher Hinsicht ein: zum Einen gehören sie in die bekannte Großfamilie lexikalischer Handbücher des Stuttgarter Metzler Verlages zu (u.a.) Sprache (hg. v. H. Glück, 42010), Literatur (hg. v. G. & I. Schweikle 32007), Philosophie (hg. v. Prechtl / F.-P. Burkard, 32008), Antike (hg. v. K. Brodersen / B. Zimmermann, 22006) und Antiker Literatur: Autoren-Gattungen-Begriffe (hg. v. B. Zimmermann 2004), zum Anderen in eine von dieser ausgehende Untergliederung, die ‚Basisbibliothek Antike‘, und stehen dort neben dem Kleinen Lexikon mythologischer Figuren der Antike oder der Kleinen Einführung in die Altertumswissenschaft. Zugleich sind sie unmittelbare Ableger von Metzlers Lexikon antiker Autoren aus dem Jahr 1997, indem durch den Herausgeber aller dreier Lexika O. Schütze aus den dort versammelten 460 Artikeln eine für die griechische wie römische Literatur repräsentative Auswahl von Texten zu den wirkmächtigsten Schriftstellern des Altertums veranstaltet worden ist.

Beide Sammlungen verstehen sich ausdrücklich (S. 176) als Lesebücher, und somit ist auf jede Form wissenschaftlichen Apparates (Fußnoten, Literaturangaben, Indices) ebenso verzichtet wie auf Einleitung oder zusammenfassende Schlussworte – hierfür ist wiederum auf den gemeinsamen ‚großen Bruder‘ verwiesen sowie die einschlägigen Literaturgeschichten von A. Lesky (31971) bis M. v. Albrecht (32012). Notwendigerweise bleiben die Ergebnisse der jüngsten Forschung (Homer) bei Texten, welche einem 1997 erschienenen Gesamtwerk entstammen, unberücksichtigt und sind auch nicht nachträglich mehr eingearbeitet worden. Die Verfasser/innen der Porträts zeichnen ihre Autoren (Sappho ist der einzige weibliche ‚Leuchtturm‘ – dafür haben wir im Lexikon antiker Autoren LAA noch Korinna oder Praxilla) mit erkennbarer Sympathie, um sie einem offenkundig avisierten breiteren Leserkreis zur Lektüre zu empfehlen.

Die Auswahlen umfassen 30 (LGA) bzw. 27 (LRA) Artikel von zwischen 2 und 12, im Schnitt 4 Seiten. Die Spanne der Literaten reicht bei ‚den Griechen‘ vom Gründungsvater Homer bis zu den Romanciers Longos und Heliodor ins 2./3. Jh., bei den Römern (man vermisst auch im kleineren Kreis den ersten Nationaldichter Ennius) von den Bearbeitern der hellenistischen Neuen Komödie bis zum spätantiken Boethius. Fachschriftsteller (Vitruv; Grammatiker und Rhetoren) sind demnach nicht vertreten, christliche Autoren (Clemens von Alexandria, Laktanz), Apologetik (Tertullian), Patres Graeci (Eusebios von Cäsarea) und Latini (Augustinus) erforderten wiederum ein eigenes Kleines Lexikon der … Vor- und Nachsokratik sind zu stark fragmentiert; Ausflüge ins lateinische oder byzantinische Mittelalter unterbleiben. Die einzelnen, in alphabetischer, also nicht chronologischer oder gattungstheoretischer Folge angeordneten Essays lesen sich ausgesprochen gut und flüssig; sie geben Aufschluss über die Lebensumstände, aus denen heraus die Schriftsteller sprechen, über (vermutet) subjektiv-Autobiographisches im Umfeld der römischen Elegie, über die politischen Umbrüche für Alkaios auf Lesbos (Kampf der Adelspartei um ihre Vormacht), über die gesellschaftliche Situation für Polybios und Terenz in der neuen ‚Heimat‘ (Scipionenkreis), und sie führen anhand der Hauptpunkte des literarischen Schaffens werkbeschreibend und interpretierend auch in deren jeweilige Weltsicht samt Rezeption bis in die Moderne ein, etwa die Humanität eines Terenz homo sum: humani nil a me alienum puto (LRA, S. 153). Der Gedichtkranz der älteren Sulpicia im 3. Buch des Corpus Tibullianum, die sich im Literatenzirkel ihres Onkels (und Gönners Tibulls) Messala Corvinus bewegte, bleibt unerwähnt (aber LAA, S. 675 f.); Maecenas und sein Kreis werden für Vergil (S. 166), Horaz (S. 40) und Properz (distanziert, S. 111) jedenfalls angesprochen. Die Triádes der attischen Tragiker, der Geschichtsschreibung beiderseits, der Elegiker in Rom sind vertreten, die Beredsamkeit in Athen bloß durch Demosthenes: als Stilisten wie als Zeitzeugen wären Lysias und Isokrates durchaus Desiderata.

Mithin stehen am Beginn der Artikel (exemplarisch hierfür sogleich derjenige zu Aischylos LGA, S. 11-18) die mehr oder weniger gesicherten Daten zu Herkunft und Werdegang der beschriebenen Autoren – soweit nicht in besonderer, spezieller Art wie bei Cicero mit dem Werk verwoben – , gefolgt von Merkmalen der literarischen Gattung, welcher sie angehören, sowie der Stellung des eigenen Tuns darin, ferner seiner Wirkung. Dessen Inhalt und Charakteristik bildet im Wesentlichen dann den Kern der Darstellung: die Leserschaft wird deutend eingeführt in die Daseinskonflikte des griechischen Dramas, mitgenommen durch die Personalia der Ilias, die Wechselfälle des Odysseus, die fata des pius Aeneas, wird den verfassungskritischen und ethischen Grundfragen der hellenistischen Philosophie in Ciceros Oeuvre gegenübergestellt – um literarische Kephálaia hier nur anzureißen. Abschließend ist jeweils das Weiterleben der antiken Motive in Mittelalter wie Neuzeit ausgeleuchtet. Daneben ‚kleinere‘ Formen: die Bukolik mit Theokrit und Vergil, ohne Calpurnius Siculus oder Nemesian; Kallimachos folgend die Neoterik mit Catull, das Epigramm mit Kallimachos und Martial (die Anthologia Palatina gehört nicht in diesen Rahmen); satura quidem tota nostra est (Quint. X 1, 93) – mit Horaz (S. 39-41) und Juvenal. Als Klammern zwischen LGA und LRA böten sich der griechisch schreibende Historiker (und Staatstheoretiker) Roms Polybios oder Horaz als römischer Alkaios (S. 20) an.

Eine jede Auswahl hinterlässt notwendig die Frage nach dem, was oder wen sie auslässt: nach Theognis oder Solon, nach Bakchylides, nach Varro oder dem älteren Plinius, nach Persius, Ammianus Marcellinus, Claudian ? Das ist müßig. Die ‚wichtigen‘ Namen sind zu lesen, die geistigen Strömungen in ihren gattungsmäßigen Ausdrucksformen in beiden Sammlungen durch deren markanteste Vertreter bezeichnet, und die griechische wie die römische ist getreu dem Anliegen der zahlreichen Verfasser/innen auf eine gefällige und stets zugängliche Weise dazu angetan, die Beschäftigung mit ‚ihren‘ Autoren anzuregen und zu befördern.

 

Michael P. Schmude, Boppard

 

aus: FORUM CLASSICUM 59 (2016), S. 175 f.

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