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Zu-W-Blösel-Die-römische-Republik

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Wolfgang Blösel: Die römische Republik – Forum und Expansion, München (Beck) 2015 [C.H. Beck Geschichte der Antike]. 304 S., € 16,95 (ISBN 978-3-406-67413-6).

Der Titel mutet zu eng gefasst an – W. Blösel (B.) beschreibt nicht allein das Rom der republikanischen Epoche seit dem Umsturz unter (L. Iunius) Brutus, sondern beginnt mit der Stadtentstehung im 9. Jh. v. Chr. und endet mit dem Untergang der res publica im zweiten Triumvirat. Wesentlich sind für B. drei Kernbegriffe: das pomerium (Stadtgrenze) als Scheidewand zwischen domi und militiae, das forum als Ausgangspunkt für jede öffentliche Laufbahn sowie das comitium als Versammlungsplatz und Stätte bürgerlicher Machtvergabe auf dem Forum; als religiöses Zentrum thront der Iuppiter-Tempel auf dem Capitol. Den innerstädtischen Comitien zur Wahl der Beamten ohne Gewaltbefugnis stehen solche auf dem Marsfeld (außerhalb des Pomeriums) gegenüber für die künftigen Inhaber eines militärischen Mandats (imperium). Von hier aus entwickelt B. in sieben Schritten die Geschichte der Republik von ihren archaischen Ursprüngen bis zur Einmündung in den Prinzipat des Augustus; Leitgedanke der dynamischen Expansion von einem italischen Stadtstaat zum römischen Weltreich ist die dauerhafte Rückbindung aller Amtsträger an das Forum, das steingewordene politische Herzstück des Imperium Romanum.

Der Gründungsmythos weist Rom als „Stadt ohne Ursprung“ (F. Dupont 2013) aus, als rituell beglaubigte (Plut. Rom. 11) Vereinigung von Fremdankömmlingen unter Führung des Romulus, eines Vertriebenen aus dem nahen Alba Longa (S. 15). Seinem – von Varro auf das Jahr 753 datierten – Akt der Stadtgründung aus Siedlungen auf dem Palatin, dem Quirinal und Esquilin steht die Auffassung einer allmählichen Stadtwerdung als deren Zusammenwachsens (Synoikismós) gegenüber, für griechische und etruskische Poleis vom 9. bis 6. Jh. durchaus üblich (S. 20). Siedlungsspuren in dieser verkehrsgünstig an der Kreuzung von Hirtenroute und Salzstraße gelegenen, von den etruskischen Nachbarn (nordwestlich), den Latinern (südlich), Faliskern und Sabinern (im Osten) heimgesuchten Mündungsregion des Tiber finden sich aus dem 15. und dann aus dem 10. Jh., vor-städtische Hüttenansammlungen und Nekropolen auf den o.g. Hügeln sowie im Forumstal erst aus dem 8. Jh. Die Schaffung der für das klassische Rom kennzeichnenden Institutionen verteilt die literarische Tradition sodann auf die kanonischen Sieben Könige (unterschiedlicher, aber dominierend etruskischer Herkunft) als stadtstaatliche Gründungsheroen. Zeitgleichen griechischen Tyrannen nicht unähnlich, bleiben sie in Zahl wie historischer Bewertung ein Konstrukt seit dem 4. Jh., die Vertreibung des ‚letzten‘ Tarquiniers (509/08) ein gewollter Synchronismus mit den Parallelereignissen in Athen, selbst deren Protagonist, Brutus der Hofnarr, eine Kunstfigur aus den Idealen einer republikanischen Nobilität (S. 29-31).

Wegmarken gliedern den Werdegang der libera res publica bis zur res publica amissa (Chr. Meier 21980), die B. weitgehend in der chronologischen Abfolge von Aufstieg und Fall der republikanischen Einrichtungen beschreitet, einhergehend mit der unaufhaltsamen Ausbreitung des Imperium Romanum über den gesamten Mittelmeerraum hinweg sowie dem zunehmenden Auftreten imperialer Ego’s. Dabei ist der Aufbau der einzelnen Kapitel so gehalten, dass eine Überblickspartie die historischen Verhältnisse, etwa die römischen Magistrate, in ihrer Entwicklung als Ganzes charakterisiert und sodann die einzelnen Phänomene, etwa Prätur oder Tribunat, näher beschrieben werden. Zwischenresümees zum Abschluss der einzelnen Sequenzen wären dem Gesamtzugriff auf den Stoff keineswegs abträglich gewesen.

Die Beseitigung des Königtums bedeutete ausdrücklich nicht die Zerschlagung des monarchischen imperium: dieses wurde vielmehr auf jährlich gewählte Oberbeamte, namentlich das doppelt besetzte Konsulat aufgeteilt; der rex blieb in sacraler Schrumpfform erhalten – auch dies vergleichbar im archaischen Griechenland, namentlich Athen. Innenpolitisch wurde diese erste Phase der Republik von den Ständekämpfen (seit 494: Auszug auf den mons sacer) zwischen Patriziern und Plebejern dominiert. Als überlange Geburtswehen des jungen Staates zumindest fragwürdig, die Standesidentitäten in der Umbruchphase nach der Königszeit zunächst eher offen, gelten als vorläufige Befriedung die Licinisch-Sextischen Gesetze von 367/66 mit der Zulassung der Plebejer zum Konsulat; Livius und Dionys von Halikarnass lassen die Zwistigkeiten gleichwohl noch bis zur letzten plebeischen Sezession 287 (auf den mons Ianiculus) andauern, während sie bei früheren Chronisten wie Fabius Pictor, dem Älteren Cato oder Polybios mit den Zwölftafelgesetzen Mitte des 5. Jh. enden.

Außenpolitisch galt es, sich gegen die etruskischen und latinischen Städte im mittelitalischen Umfeld zu behaupten, und hier tritt Rom zu Beginn der Republik durch zwei Verträge hervor: der erste mit den phönizischen Karthagern regelt die Machtsphäre im westlichen Mittelmeer zugunsten der Nordafrikaner, hält diese andererseits von der Küste Latiums fern; das foedus Cassianum von 493 vereinigt die Städte des schon älteren Latinerbundes (samt coloniae) unter der Führung Roms insbesondere gegen die Äquer, Volsker und Sabiner (S. 51). Die rivalisierende Etruskerstadt Veji wird in drei Kriegen bis zu ihrer Zerstörung und Eingemeindung 396 niedergerungen. Der ungehinderte Einfall der Gallier (390/87) führt zu einer Befestigung der Stadt (‚Servianische‘ Mauer); er unterbricht zwar fürs Erste die römische Expansion tiberaufwärts, nicht aber die konsequente Ausweitung des ager Romanus in Latium (S. 55).

Der zweite Schritt dehnt die Vormacht in der Region auf ganz Italien aus. Zuvor behandelt B. die Konsulatsverfassung von 367/66 (s.o.): in dieser resultiert der seit dem Ende des 5. Jh. wachsende Anspruch der Plebs über Volks- und Militärtribunat, plebeische Ädile und Quästoren hinaus auf politische Mitgestaltung in höchsten Staatsämtern und führt zur Kollegialität wie zur Heranbildung einer patrizisch-plebeischen Oberschicht. Der patrizische ‚Stand‘ als solcher hatte sich indes bereits nach der Mitte des 5. Jh. herausgeschält (S. 47), und auch die „arrivierten“ Plebejer (S. 62) schotteten sich alsbald gegen ambitiones aus der großen Mehrheit ihres Standes (homines novi) ab. Zugangskriterium für einen Sitz im Senat – unter Aufsicht der Zensoren – war nunmehr die Bekleidung eines kurulischen Amtes (S. 59). Schwerpunkte bis zum Jahr 264, regional ausgreifend und fortschreitend, sind für B. hernach neben einer erfolgreichen (und durchaus nicht gewaltfreien) Bündnis- und hierarchisch stark differenzierten Einvernahmepolitik (coloniae, municipia und andere Formen der Abhängigkeit) gegenüber den vielfältigen italischen Stämmen und Gemeinden zum Einen der Latiner- (341-338) sowie drei Kriege gegen die Samniten (343-290), welche ursprünglich aus den Bergtälern des Apennin in die fruchtbare Küstenebene Latiums und Kampaniens drängten. Seit 312 wird die Via Appia sukzessive als Heeresstraße parallel zur Küste ausgebaut und über Capua landeinwärts schließlich (243) bis nach Brundisium an der Adria weitergeführt. Zum Anderen und gleichzeitig zu den laufenden Auseinandersetzungen mit künftigen socii im Norden (Etrusker, Umbrer, Picener) die letztlich (275) siegreiche gegen den epirotischen König Pyrrhos (→ sein ‚Bonmot‘), den die griechischen Bürgerschaften Süditaliens (namentlich Tarent) gegen das Hegemonialstreben Roms zu Hilfe gerufen hatten und der sogleich als Sachwalter auch der Samniten, Lukaner und Bruttier auftrat.

Der dritte Schritt greift in zwei Richtungen auf die Oikuméne über: an sich waren die Machtsphären zwischen italischem Festland und karthagischem Nordafrika geklärt, auch die Zugehörigkeit Siziliens zur karthagischen in einem dritten Vertrag (306) mit Rom geregelt – B. korrigiert das Bild von der bloßen Handelsnation Karthago ohne weitergehende Interessen im jeweiligen Hinterland seiner Häfen (S. 91), und am Ende des 1. Punischen Krieges ist dessen Stellung im westlichen Mittelmeer zumindest angeschlagen. Die Eroberung von Sardinien und Korsika 237 machen das Tyrrhenische zum römischen Binnenmeer, Feldzüge bis in die Poebene (Via Flaminia 220) sichern die Gallia cisalpina, die Illyrer werden zu amici unterworfen. Den 2., von der Iberischen Halbinsel ausgehenden Punischen Krieg teilt B. (S. 110): mit der Kapitulation Capuas 210 vor den römischen Konsuln endet Hannibals Offensivkraft in Italien mangels Nachschub. Die Verlegung des Kriegsschauplatzes durch Scipio ins nordafrikanische Numidien erzwingt 202 die dortige Entscheidungsschlacht bei Zama: Karthago wird zur Regionalmacht zurückgestutzt, im 3. Punischen Krieg schließlich ausgeschaltet. Die Römer erobern den Osten im 2. Jh. vor allem gegen den Seleukidenkönig Antiochos III. sowie Philipp V. von Makedonien: während noch an den Isthmischen Spielen 196 der Konsul Flamininus die ‚Freiheit Griechenlands‘ erklärt, verwirkt Philipps Sohn und Nachfolger Perseus mit der Niederlage im 3. Makedonischen Krieg 168 bei Pydna sein Königreich wie die Eigenständigkeit der griechischen Poleis. Der letzte Aufstand des achäischen Bundes führt 146 zur Auslöschung Korinths und zum Ende griechischer Eigenstaatlichkeit in der Antike (S. 131). Rom ist Weltmacht.

Die Erfolge nach außen hatten Umbrüche im Innern gezeitigt – mit dem Jahr 133 beginnt das Jahrhundert der Bürgerkriege, so dass gerade dieser Teil von B.s Darstellung einen deutlich gesellschaftspolitischen Bezug hat (S. 155 ff.): die Ackergesetzgebung der Gracchen zugunsten der durch ständigen Kriegsdienst von Verelendung bedrohten Bauernsoldaten Roms; der zunächst militärisch (Jugurtha, Kimbern und Teutonen) bedingte, in Stadtrom virulente (Veteranen) Aufstieg des Parvenü Marius, welcher die schon im Spanischen Krieg (154-133) sich abzeichnende militärische „Dequalifizierung“ der Nobilität umso deutlicher machte; der Bundesgenossenkrieg 91-88 um die Verleihung des Bürgerrechts, an Regelungen der Jahre nach 338 anknüpfend – Gewalt wird gesellschaftsfähig im Binnenraum (S. 188). Die Konsulate Cinnas, des Parteifreundes von Marius und (wie er) Gegenspielers des Optimaten Sulla, dessen Ostfeldzug gegen Mithridates VI. von Pontos (87-84) und (zweimaliger) Marsch auf Rom, Diktatur wie Beseitigung des sullanischen ‚Systems‘(S. 211 f.) münden in das Schlusskapitel der Römischen Republik, nach Spartakusaufstand und Seeräuberkrieg, Ostkommando und Gallia ulterior in die Triumviratszeiten unter Pompeius und Caesar (ab 60), M. Antonius und Octavian (also jeweils Ost-West-Konstellationen), denen der letzte Republikaner Cicero trotz catilinarischer Aristie und Tyrannenmord am Ende (43) doch zum Opfer fällt – Augustus begründet 27 den Prinzipat (S. 265).

Dies Alles ist – der aufgezeigten Struktur folgend – detailliert geschildert, nicht immer frei von Sprüngen, den Schauplatzwechseln geschuldet. Kartenmaterial, das gerne auch etwas größerformatig hätte ausfallen können, begleitet anschaulich das machtpolitische Ausgreifen der Tiberstadt (nützliche ‚Sprachen-Karte‘ S. 49). Kurz gehaltene Anmerkungen bieten Quellen, eine kleinschrittige, erläuterte Zeittafel sorgt für chronologische Orientierung. Das Literaturverzeichnis folgt der Kapitelgliederung und nennt jeweils nach einem kompakten Forschungsüberblick die durchweg neueren Titel. Personen- (kein Sach-) und Ortsregister runden diesen ereignisgesättigten und eingehenden Blick auf Gestaltwerdung wie Verlust der res publica Romana ab.

Michael P. Schmude, Boppard

aus: FORUM CLASSICUM 58 (2015), S. 198-201

Zu-B-Morstadt-Die-Phönizier

Zu-B-Morstadt-Die-Phönizier

Bärbel Morstadt: Die Phönizier, Wissenschaftliche Buchgesellschaft (Philipp von Zabern) Darmstadt 2015. 175 S., € 29,95 (ISBN 978-3-8053-4878-2).

Ein seefahrendes Volk, Handelsreisende im Mittelmeerraum (und jenseits → Hanno von Karthago entlang Westafrika, Himilko zu den Britischen Inseln, S. 76), Kulturbringer und begehrte Handwerker, die von ihrer levantinischen Heimat zwischen Syrien und Israel (bis zum Zweistromland) aus und zwischen 1200 und 300 v. Chr. noch vor den Griechen die gesamte mediterrane Küste ‚beidseits‘ besiedelten, bieten die Phönizier seit der Antike eine (zumindest) schillernde Projektionsfläche für je nach Quellenlage widersprüchliche Wahrnehmungen. Innerhalb dieser Marken beschreibt B. Morstadt (M.), Archäologin der phönizischen Diaspora an der Universität Bochum, ein Phänomen panoekumenischer Historie, welches – in eigenen Schriftquellen eher dürftig – in archäologischen Hinterlassenschaften wie in seinem literarischen Umfeld von Beginn an durchaus zwiespältigen Niederschlag gefunden hat.

Im AT (2Chr., 1Kön.) wie bei Homer (Il. 23) werden sie als herausragende Handwerker erwähnt, Byblos unterhält seit dem 4./3. Jt. rege Handelskontakte mit Ägypten, den Propheten ist ihre hybride Hauptstadt Tyros Grund für Jahwes Zorn, Herodot (hist. 5) bezeugt die Aneignung ihres Alphabets durch die Griechen um 800 – Bindeglied ist Kadmos, Gründer des böotischen Theben und Prinz aus Tyros – , aber auch die Kehrseite ihrer kommerziellen Raffinesse bleibt wenig später durch den homerischen Odysseus (Od. 14) nicht unerwähnt (S. 9-12) und noch dem Gallier Miraculix ein Begriff (S. 35 f.): dieser hat sehr wohl das Zitat aus der Odyssee – Verkauf der ‚Helden‘ auf dem nächsten Sklavenmarkt – im Hinterkopf … Und so schwankt die Phönizierforschung der frühen Neuzeit seit der Geographia Sacra des französischen Theologen S. Bochart (1646) zwischen einem Pan-Phönizismus, welcher diese zu kulturellen Ahnherren aller Völker ihres Expansionsraumes macht, und der Auffassung als orientalisches Gegenmodell zu einer europäisch-okzidentalen Identität, welche unter dem Einfluss des Philhellenismus im 19. Jh. herausgearbeitet wurde und sich auf den Schultern eines romantisierten Griechentums sinnbildlich in der minoischen Thalassokratie (S. 19) verselbständigte. Der Dominanz humanistischer, die griechische Antike idealisierender Bildung entsprach 1795 die Einrichtung – und zugleich Abgrenzung – der Orientalistik als akademischer Disziplin. E. Renans Mission de Phénicie (1864-74) im Rahmen einer Expedition unter Napoleon III. ins Libanongebirge wird zur Grundlage der modernen Phönizierarchäologie ebenso wie der politischen Ordnung in der Levante (S. 25). Von da aus spannt M. den Bogen zur modernen Staatswerdung: kulturelle Identifikation mit dem phönizischen Mutterland führt nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches 1918 einen ‚Großlibanon‘ 1943 in die libanesische Republik heutigen, christlich durchsetzten Zuschnitts und steht (nach wie vor) einem panarabisch-muslimischen Konzept ‚Großsyrien‘ im Wege.

Eine vergleichbare Rückbesinnung auf die antiken Wurzeln erfolgt am zweiten ‚Standort‘ in der libysch-tunesischen Syrte erst spät: wohl erhält Karthago, um 813 v. Chr. von Tyros aus gegründet, seit dem 6. Jh. Regionalmacht in Nordafrika und in den Punischen Kriegen des 3. und 2. Jh. v. Chr. Gegenspielerin römischer Machtinteressen im westlichen Mittelmeer, als solche literarischen Rang seitens des achäischen Römerfreundes Polybios sowie in den entsprechenden Büchern von Livius‘ Ab urbe condita, dazu noch einmal eine reife römische Blüte und bis zum 3. Jh. gar einen Bischofssitz (Cyprian). Auch sei der Gründungsmythos von der Erbfeindschaft, die tragische Liebesgeschichte um die Sidonia Dido in Vergils Aeneis, in einer historisch-archäologischen Arbeit eher nicht im Vordergrund, hier (wie S. 29, 152) wenigstens angedeutet: historisch ausgetragen wird sie von der Barkidenfamilie um Hamilkar und seinen Sohn Hannibal. Aber die neuzeitliche Heldenverehrung ist zunächst einmal Sache der französischen Kolonialmacht, während sich zeitgleich der tunesische Nationalismus über die islamische Periode seit dem 7. Jh. definiert. Das aktuell angekündigte Denkmal für Hannibal im Hafen des Vororts von Tunis harrt noch seiner Ausführung, ein Lehrstuhl für interkulturellen Dialog wurde 2001 in der Hauptstadt eingerichtet (S. 31 f.).

In einem – nicht ganz ebenmäßigen – Dreischritt geht M. an das Phänomen ‚Phönizien‘ heran: das Kernland bis zu seinem Aufgehen in der hellenistischen Welt (S. 53-112), geographisch zwischen dem südlichen Küstenteil Syriens und Nordisrael den modernen Libanon umfassend, kulturgeschichtlich vom Beginn der Eisenzeit bis zu den Eroberungszügen Alexanders d. Gr., machtpolitisch eingebettet in die ostmediterranen Umwälzungen (Zusammenbruch des Hethiterreiches, ‚Seevölkersturm‘) zu Beginn der ‚Dunklen Jahrhunderte‘, expansiv von Stadtstaaten wie Tyros und Sidon aus und – durchweg mit einer gewissen Eigenständigkeit – im Rahmen des assyrischen, neubabylonischen und achämenidisch-persischen Reiches, als Koilé-Syrien zwischen Ptolemäern und Seleukiden, als Provinz Syria nach dem 3. Mithridatischen Krieg seit 63 im Römischen Reich. Außerhalb Phöniziens (S. 113-48) rücken die Kolonisation im Vorderen Orient und über die Inseln und Küsten des Mittelmeers sowie in der Folge die kulturelle Wechselwirkung: Ägyptisierung – Orientalisierung – Hellenisierung (S. 149-55) zwischen Entdeckungsreisenden und den einheimischen Gesellschaften ins Blickfeld.

M.s Ansatz schwankt zwischen wissenschaftlicher Diskussion und den begrenzten Möglichkeiten objektiver Geschichtsdarstellung auf der Grundlage stets subjektiv und zeitbedingt interpretierter Schrift- wie archäologischer Quellen (S. 13 f., 43-52). Eingehend werden die personalen und diplomatischen Netzwerke des vorderasiatischen Großraumes gewürdigt. Belegstellen wie (zumeist neuere) Sekundärliteratur sind in den flüssig geschriebenen Text eingefügt und in einem ausführlichen Verzeichnis (S. 157-74) aufgeschlüsselt (man vermisst J. Seiberts Forschungen zu Hannibal 1993), Indices fehlen indes gänzlich. Abbildungen, Karten (zu klein das Format auf S. 8) und Rekonstruktionszeichnungen unterstützen den Zugang zum behandelten, omnipräsenten Movimentum mediterraner Kulturgeschichte.

 

Michael P. Schmude,  Boppard

 leicht gekürzte Fassung in: FORUM CLASSICUM 59 (2016), S. 113 f.